1. August 2016
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THEMA: Siebeck vs. Schmidt

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TIMS THESEN 

THEMA: Siebeck vs. Schmidt

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Wolfram Siebeck ist tot und niemanden interessiert es. „Die Zeit“, diese undankbare, ehrlose Postille, würdigt den größten deutschen Gastrokritiker und Schlemmer, indem sie drei seiner alten Rezepte abdruckt. Dieses schnöde Abwickeln brachte mich dazu, über Bewertungen nachzudenken, über Wesentliches und Unwichtiges, über Relevanz und Irrelevanz.

Nehmen wir einen anderen prominenten Todesfall aus dem „Zeit“-Universum zum Vergleich: Helmut Schmidt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals von Berichterstattung derart genervt worden zu sein. Kein Superlativ war zu dämlich, auch außerhalb der „Zeit“. Ein Bundeskanzler a.D. („als Politiker gescheitert“, „Verlagsangestellter“, schrieb F. J. Raddatz) geriert sich über Jahrzehnte als Zeigefinger der Nation und die gesamte Presse dreht komplett durch. Der Verstorbene wird per Headline zum „Philosoph“, dann zur „Ikone“, schließlich zum „König“.

„Wir haben einen Giganten verloren“ jammert die Tagesschau. Das Hamburger Abendblatt macht den Langenhorner zum „Herrn über den Zeitgeist“ (was auch immer das heißen soll). Die BZ deklariert Schmidt zum „Jahrhundertmann“. Dann berichtet allen Ernstes der Leibarzt von „den letzten Stunden“, so als wäre da eine Mischung aus Tutanchamun und Hitler verendet. „Weltgewissen“, „Der letzte Staatsmann“ – so geht’s wochenlang. Schwachsinn reiht sich an Schwachsinn. Der Weg des Sargs durch die Stadt wird per Infografik nachgeschritten, der Flughafen umbenannt, Schmidts Friseur ausgequetscht. Der Typ, der vor Schmidts Auffahrt den Schnee wegschippt, hält Pressekonferenzen. Natürlich war derlei voraussehbar. In der KLÖNSCHNACK-Bibliothek stehen alle Schmidt-Bände. Die Titel würden auch in Nordkorea als passend empfunden und verraten die Sehnsucht nach Fallhöhe:

„Helmut Schmidt und die Deutschen“

„Helmut Schmidt erklärt die Welt“

„Mein Europa“ usw.

„Dann wäre ich Hafendirektor geworden“

Ich gehe jede Wette ein, dass derlei Zeug in 20 Jahren flächendeckend verramscht wird, weil’s keiner liest und die Strahlkraft des verhinderten Hafendirektors eben doch eine kurze Halbwertzeit hat.

Nun zu Siebeck. Er hat in etwa 50 Jahren unermüdlichen Essens, Kochens, Recherchierens, Reisens und Schreibens die Küche der Deutschen auf ein neues Niveau gehoben. Er hat zahllose Leute beleidigt, sein Ruf ist durchwachsen, aber versuchen Sie mal ein Exemplar seines Buches „Alle meine Rezepte“ von 2003 antiquarisch zu erwerben. Sie brauchen Glück und Geld. Die Dinger sind begehrt, weil der Inhalt zeitloses Gold ist. Siebeck hat das Leben der Deutschen elementar verbessert, aber das große Staatstheater bleibt dem „Bescheidenheitsprotz“ (Raddatz) vorbehalten.

These? Temporäre Blindheit ist keine Domäne von Laien. Auch Fachleute leiden hin und wieder daran.

HS BauTeam, Bau- und Grundstücksgesellschaft mbH
Pielström Haustechnik GmbH
ISOTEC Hamburg GmbH

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