27. April 2018
Magazin

THEMA: René, meine Perle!

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TIMS THESEN 

THEMA: René, meine Perle!

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Schlechte Laune! Ich wollte über Kampfhund Chico schreiben und über die 300.000 Irren, die eine Petition für ihn unterschrieben haben. Ich hätte nie gedacht, dass die Vernunft in dem Fall siegen würde, aber dann hat irgendein Amt die Töle fachgerecht abgemurkst und damit meine Glosse, die nicht weniger geworden wäre als eine Sternstunde des Journalismus. Sternstunde?

„Eigenlob stinkt!“ – das lernen wir früh. Denken wir an Hamburg, dann ist dieser Ermahnung vergebliche Mühe. An der Elbe lebt eine veritable Industrie davon, immer wieder zu verkünden, wie ungeheuer fantastisch diese Stadt ist. „Hamburg, meine Perle!“ „Die schönste Stadt der Welt“, „Mein Hamburg!“ etc.

Glauben Sie nicht? Dann ziehen Sie von Leuten wie Ina Müller, Lotto King Karl, Uwe Seeler und ca. 100 anderen den Begriff „Hamburger“ ab. Was bleibt? Nicht viel, richtig. Die Blankeneser wissen überdies: Das Phänomen erstreckt sich bis in die einzelnen Stadtteile runter. „Der schönste Vorort der Welt.“ Nun kennen wir aber auch Hamburger, die besuchen kein Lotto-King-Karl-Konzert, kleben auch keine Aufkleber aufs Auto und trinken den Kaffee nicht aus Bechern mit Stadtlogo. Sie fallen auch nicht auf diese Presse-Mode rein, bei der Normalos vor die Kamera gezerrt werden und auf einer Doppelseite berichten, was sie an Hamburg unfassbar toll finden. Nein, diese Hamburger finden die Stadt ebenfalls richtig gut, müssen aber nicht ständig drauf herumturnen.

Was soll nun das Geturne? Wären wir alle eine Gruppe provinzieller Dumpfbacken, die seit 2.000 Jahren im selben Acker herumwühlen, dann wäre es verständlich. Wer nichts kennt, dem fehlen die Vergleiche. Der norddeutsche Monsun in Verbindung mit der notorisch schlechten Laune, die von Hunden zugeschissenen Gehwege, die ewigen Funktionsjacken, die Eisenten – das alles würde als fabelhafter Lebensraum durchgehen, würden wir nichts anderes kennen.

Der Elb-Hysteriker kennt aber Florenz und New York, er kennt jene Küstendörfer entlang der portugiesischen und französischen Atlantikküste und müsste daher eigentlich den Rand halten und nicht ständig von der „Perle“ brabbeln.

Er hält aber nicht den Rand, und ich will wissen, warum nicht. Was will uns der hanseatische Weltenbürger wirklich sagen?

These hierzu: Er beruhigt sich selbst. Er sagt sich selbst immer wieder, dass seine Entscheidung richtig war. Er fährt seit 2.000 Jahren auf der Elbchaussee hin und her und das ist okay. Er erträgt tapfer den Monsun, lässt sich morgens die Funktionsjacke rauslegen, muss Hundekacke aufheben und auch das ist okay. Hin und wieder kommt ihm der Verdacht, das Leben könnte noch besser perlen, wenn er mehr aus dem Quark käme – und auch das ist okay!

Der Satz „Hamburg ist die schönste Stadt der Welt!“, bedeutet für ihn letztlich: Du bist okay!

Es wäre also einfacher, ehrlicher und stilstisch sauberer, wenn die Besucher eines Lotto King Karl-Konzerts den Text beim Mitsingen leicht ändern. Einfach den eigenen Namen einsetzen und los geht’s: „René, meine Perle!“ „Kerstin, meine Perle!“

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