31. August 2018
Magazin

THEMA: Kopf hoch!

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TIMS THESEN 

THEMA: Kopf hoch!

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Als ich mir vor etwa zwei Jahren vornahm, etwas über Menschen zu schreiben, die im Gehen aufs Smartphone glotzen, sagte ich mir: Vergiss es. Das Phänomen ist auf dem Höhepunkt, schlimmer wird’s nicht und wer will schon über Stagnation schreiben?

Tja. Das war wohl etwas vorschnell. Die anfängliche Kuriosität hat sich zum Ärgernis gewandelt und rangiert nun im Bereich klinischen Schwachsinns. Ein paar Beispiele aus den letzten Wochen: In Hamburger Schwimmbädern müssen neuerdings halbertrunkene Kleinkinder wiederbelebt werden. Sie fallen ins Wasser, weil die Eltern kein Auge zur Betreuung frei haben. Sie glotzen aufs Smartphone. Die Bademeister apellieren dringend, damit aufzuhören, da sonst Kinder STERBEN werden.

„Ja, gleich …!“

An Fahrradfahrer, die vom Sattel aus Textnachrichten tippen, haben wir uns gewöhnt, aber auch hier gibt es Neues. Neulich fuhr ein junger Vater, Kind in einem ergonomischen Sitz über dem Lenker, beide mit Helm in falscher Richtung durch eine Einbahnstraße. Freihändig. Ohne einmal den Kopf zu heben. Das Geknibbel auf der Tastatur war wichtig. Schön auch jene Ampel in Eimsbüttel. Man muss dort allen Ernstes auf einen kleinen gelben Apparat drücken, damit die Ampel grün wird. Tut aber keiner. An manchen Tagen stehen über 50 Menschen auf beiden Seiten der Straße, ohne dass irgendetwas passiert. Ab und zu ein kurzer Blick hoch zur Ampel, aber die bleibt rot. Irgendwann fangen dann die ersten an, bei Rot rüberzurennen. In den Verkehr. Mit Smartphone vor der Nase. Das anfangs ungläubige Lachen der benachbarten Gastronomen ist mittlerweile zu einem angewiderten Kopfschütteln geworden.

Auch die Dummheit wird vor sich selbst gerettet.

Ich selbst bin nicht angewidert, aber verblüfft. Sollte es wirklich möglich sein, dass Menschen ihre evolutionär erworbene Fähigkeit, Situationen einzuschätzen und Prioritäten zu setzen, verlernen? Es hat tatsächlich den Anschein. Der Drang, die Textnachricht abzuschicken, ist schwerwiegender, als die Sorge um Leib und Leben. In den Zeiten vor der Hochleistungsmedizin hätte sich so etwas recht schnell weggemendelt, aber heute wird auch die Dummheit vor sich selbst gerettet. Wir werden uns also auf heute noch undenkbare Bilder einstellen müssen.

Meine These: Es dauert nur noch wenige Jahre, dann wird die geistige Abwesenheit im Straßenverkehr nicht mehr als Schwachsinn gesehen, sondern als Realität des modernen Lebens. Nicht zu ändern. Städteplaner werden nachziehen. Verkehrsmarkierungen nur noch auf dem Boden, gepolsterte Laternenpfähle, Ampelsteuerung durch akustische Signale.

Richtig bitter wird es, wenn sich die Google-Brille durchsetzt. Die Realität wird zweifellos schöner, weil man bei der Farbsättigung nachhelfen kann, aber der Anblick nutzt sich schnell ab. Filme, Spiele, virtueller Sex – lässt sich alles zwischen Edeka und Kindergarten erledigen.

Was dann noch fehlt, ist der Hinweis in der Notaufnahme: FREIES WLAN!  

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