7. April 2015
Magazin

Thema: Hobbys

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TIMS THESEN

Thema: Hobbys

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Haben Sie ein Hobby? Schnitzen? Radieschen züchten? Kotztüten sammeln (KLÖNSCHNACK 3/2015)? Einer meiner Freunde hat nebenberuflich Schneidern gelernt. Es langt nicht für ein Hochzeitskleid, mittlerweile aber für etwa 50 Prozent seiner Garderobe. Normalerweise erwähnt er dieses Hobby nicht, da er ausschließlich für sich selbst schneidert. Seit Kurzem aber häufen sich die Reaktionen. Sie beginnen meist so: „Exakt diesen Anzug habe ich auch gesucht. Gab’s nirgends! Wo hast du den her?“ „Selbst genäht.“
„WASS?!?!?!?!?!“
Nachdem sich der Fragesteller einigermaßen beruhigt hat, will er natürlich wissen, wie viele Stunden der Hobby-Schneider an einem Anzug sitzt, denn: „Das kann sich nicht lohnen!“

„Muss es auch nicht“, sagt mein Freund. „Ich habe keine Stechuhr am Küchentisch.“ „Wahnsinn! Die Zeit hätte ich nicht. Wenn ich mir vorstelle …“

Dann kommt eine Lebensbeichte, die Charles Dickens zu Tränen gerührt hätte. Ein Arbeitstag wie auf der Bohrinsel, 20 Minuten Freizeit pro Halbjahr, Ferien ausgefüllt mit Aktivität, die Familie, der Sportclub … Einige Fragesteller werden richtig sauer, finden das natürlich selbst unpassend, reißen sich zusammen, aber die Ader an der linken Schläfe will platzen vor Empörung über diese … diese …

Wohlgemerkt, hier geht es nicht allein ums Schneidern. Der Dialog wird ambitionierten Golfern, Schachspielern und Bootsbauern nicht ganz unbekannt sein. Ich glaube, die Empörung entzündet sich nicht allein an der aufgewendeten Zeit, sondern eher am Grad der Qualifikation, die ein Mensch ohne berufliche Zwänge erreicht. Etwas beherrschen aus purer Lust am Tun, ohne Gehaltszettel, das setzt gnadenlose Prioritäten voraus. Mein Freund musste alles über Bord werfen, was der Mehrheit heilig ist: HBO-Serien, Mannschaftssport, infantile Katzenfotos auf Facebook, Heckenschnitt, stundenlange Vergleiche von Mobilfunkverträgen, Sport-Bild, Vintage-Porn-Collection auf Festplattenpartition D etc.

Das heißt, wenn jemand in der Lage ist, ohne Stechuhr oder Werkvertrag etwas zustandezubringen, das Begehrlichkeiten weckt, dann könnte das auf fanatischen Irrsinn hindeuten. Es könnte aber auch ein Indiz sein für ein von Überflüssigem einigermaßen gereinigtes Leben. Wenn unser Empörter also Samstagnacht mit seinem Kumpel Smirnoff unterwegs war, den Sonntag dann vor der Beamerwand herumschimmelt und zwischen Klo und Chipstüte versucht, seine Pläne vom letzten Jahr zu rekonstruieren, dann will er natürlich nicht an so einen Mist erinnert werden wie selbst geschneiderte Dreiteiler.

Hoffentlich bemerkt er nicht, dass mein Freund die Vorlage für jenen Dreiteiler aus der vierten Staffel von „Boardwalk Empire“ geklaut hat …

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