1. Oktober 2018
Magazin

THEMA: Es gibt keinen Plan

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TIMS THESEN 

THEMA: Es gibt keinen Plan 

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Wir Menschen bevorzugen logische Zusammenhänge. A will B und erreicht das durch C. So etwas erzeugt ein Gefühl von Sicherheit und die Gewissheit, die Welt zu einem gewissen Maß zu durchschauen. Problem: Wir werden zu Wutbürgern, weil wir annehmen, Behörden, Unternehmen, Versicherungen etc. würden planvoll handeln. Hinter jedem Ärgernis des Alltags vermuten wir dann ein Ränkespiel, eine fiese, aufs letzte Detail durchdachte Schikane. Man hört Sätze wie: „Die Behörde XY macht das nur, weil sie verhindern will, dass wir YX tun. Saubande!“

Meine These: Alles Quatsch. Im Chaos das täglichen Lebens sind Pläne eine der seltensten Phänomene auf diesem Planeten. Je größer das Unternehmen, die Stadt, der Club, desto seltener der Plan. Eindrucksvoll bestätigen das Giganten wie zum Beispiel DHL. Ich weiß, jeder hat eine DHL-Story auf Lager. Ich gehe aber jede Wette ein, dass meine ein einsamer Rekord ist.

Vor einigen Monaten schickte ich ein versichertes Paket nach England, das dort der UK Mail übergeben wurde und prompt verloren ging. Suchauftrag. DHL sucht vier Wochen lang, dann verlange ich Auszahlung der Versicherungssumme. DHL weigert sich und sucht weiter. Sechs Wochen. Acht Wochen. Zehn Wochen. Dazwischen ca. zehn Telefonate mit der Hotline.

Wir werden zu Wutbürgern … 

Der schönste Dialog:

Ich: „Wie lange muss ich maximal warten?“

DHL-Drohne: „Das weiß ich nicht.“

„Könnte theoretisch also ewig so weitergehen?“

„Das kann ich leider nicht sagen.“

„Sie können mir also überhaupt nicht helfen?“

Drohne: „Nein.“

„Warum nehmen Sie dann den Hörer vor Ihnen ab.“

„Das weiß ich nicht.“

Nach Klageandrohung meines Rechtsanwaltes dann ein Schreiben von DHL. Das verlorene Paket befinde sich in Hamburg in einer DHL-Filiale. Seit einer Woche. Man hätte mich schon vor Tagen benachrichtigt.

Also fluchend zur Filiale. Paket da! Adresse korrekt, Frankierung korrekt. Dennoch weigert sich die Drohne hinter dem Schalter das Paket rauszurücken. Ich müsste zehn Euro bezahlen. Ich: „WARUM?!?!“

Drohne: „Zoll.“ Ich: „Trinken Sie mal einen Schluck Wasser und dann erzählen Sie mir welcher Zoll zwischen England und Deutschland erhoben wird.“

Drohne schreit: „Zehn-Euro-Zoll!“

Ich zahle und schicke den ganzen Mist an die Bundesnetzagentur. Monate später meldet sich ein serviler Herr aus dem Vorstandssekretariat von DHL und schiebt die Schuld allein auf UK Mail. Ich: „Wissen Sie, wem UK Mail gehört?“

Ärgerliches Schnaufen aus dem Hörer, als hätte ich etwas Unzüchtiges gesagt. Tatsächlich gehört UK Mail niemand anderem als DHL. Die Affäre endete nach etwa einem halben Jahr durch Rückerstattung von „Zoll“ und Porto aus „Kulanzgründen“.

Daher meine Überzeugung: Die planvoll agierende Macht, die wir überall vermuten, ist nichts weiter als ein chaotischer Sauladen. Wir werden zu Wutbürgern …

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