1. September 2016
Magazin

THEMA: Der Deutsche und sein Buch

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TIMS THESEN 

THEMA: Der Deutsche und sein Buch

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Es gibt eine Statistik, nach der jeder alphabetisierte Deutsche mindestens ein Buch in der Schublade hat. Das Zahlenwerk gibt keine Auskunft, ob jeder von ihnen sein Werk reif für eine Veröffentlichung hält, aber ich darf nach Jahren der Zusendung von Books-on-Demand-Werken stark davon ausgehen.

Die Gründe für das Buch sind schnell gefunden: Krebserkrankung, die freche Jugend, früher war alles besser, Autobiografie, Lokalhistörchen, Drang belletristischen Schund mit dem eigenen Namen zu zieren, Chronik eines Klempnereibetriebs in dritter Generation etc. Alle diese Gründe, diese Themen sind aus Sicht eines Verlages meist irrelevant. Krebs ist Todesursache Nummer eins. Wenn die halbe Nachbarschaft an Krebs stirbt, dann braucht kein Mensch die Leidensgeschichte von Gesine Precht-Schulze aus Rissen.

Die freche Jugend ist gleichbedeutend mit dem nassen Regen, dem weißen Schimmel. Selbstverständlich, uninteressant. Das Lokalhistörchen findet seine Leser, aber auch hier ist der Aufwand meist wesentlich höher als der Ertrag (Ja, ich spreche aus Erfahrung.).

Belletristischer Schund ist für wenige Münzen an jeder Tankstelle erhältlich. Gesine Precht-Schulzes „Nubische Küsse – in Ewigkeit“ werden daher kein Lesefutter, sondern landen in den Lektorats-Schreddern dieser schönen Republik. Letztlich wird so gut wie keines dieser Manuskripte je professionell veröffentlich. GPS und Millionen andere lassen sich jedoch nicht entmutigen, sondern tippen, als sei der Sprung auf die Besteseller-Liste nur ein kleiner Hüpfer.

Woran liegt das? Die gängige These besagt: Eitelkeit. Durch keinerlei Selbsterkenntnis und Sachverstand getrübte Eitelkeit. Das völlig ironiefreie Exponieren der eigenen Person.

Ich teile diese These nicht, halte sie für falsch, dumm, kurzsichtig, nihilistisch. Der Autor eines Nischenthemas schreibt, so meine These, aus folgendem Grund: Er ist der Überzeugung, er habe das Recht seiner Stimme, egal wie klein sie auch ist, Gehör zu verschaffen. Er hat das Recht es zu versuchen und er sieht darüberhinaus den Zwang, sich einer zivilisierten, fairen Form zu bedienen. Also schreibt er ein Buch. Notfalls legt er selbst Geld auf den Tisch, damit es gedruckt wird.

In Zeiten, in denen ein nicht kleiner Teil des Landes mittels Online-Kommentar frei und franko herumfurzt, kann ich mir Schlimmeres vorstellen. Natürlich hat das Ganze etwas Don Quichotte-artiges und ich möchte den Autoren von Tier-Kitsch keine Hoffnung auf Unsterblichkeit machen. Auch die „Geschichte der Klempnerei Pumpenkamp“ wird ohne viel Glorie bleiben, ebenso „Nubische Küsse – in Ewigkeit“, aber legitim ist die Arbeit allemal. Wo kämen wir hin, wenn man sich für das Schreiben von Büchern rechtfertigen müsste?

Anm. d. Red.: Alle Titel in dieser Glosse sind fiktiv. Wenn Sie einen davon haben wollen – nur zu!

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