1. Juni 2015
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Hohn zum Mindestlohn?


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Hohn zum Mindestlohn?

Kommentar im Juni

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Rechtsanwalt Ralph Sendler
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Seit Wochen vermittelt der Blick in die tägliche Presse den Eindruck, als ächze das Land unter der Bürde des zum Jahresbeginn 2015 eingeführten Mindestlohnes von € 8,50 brutto. Es wird geklagt über die umfangreiche Dokumentationspflicht für geringfügige Beschäftigung (450,00 € Jobs), einige Branchen fühlen sich in ihrer Konkurrenzfähigkeit bedroht und viele Bereiche fordern von der Regierung bzw. dem Arbeitsministerium eine Erweiterung des Ausnahmekatalogs im Mindestlohngesetz (MiLoG). Indes, Frau Nahles, weist jede Kritik weit von sich und übt sich in der bewährten CDU-Kanzler-Strategie des Aussitzens, eine Form des Unterlassens, die Frau Merkel gerade in der BND-Affäre zelebriert. Was jedoch hat es wirklich mit dem Bösewicht „Mindestlohn“ auf sich?

Ein Blick auf Europa gibt interessante Erkenntnisse: Einen gesetzlichen Mindestlohn gibt es seit langem in den europäischen Industrieländern Frankreich, England, Holland, Belgien, Irland, Portugal und Spanien, wobei jedoch die Iberer deutlich unter 4,00 € und damit weit unter dem Niveau von 8,00 bis 9,00 € in den anderen Mindestlohnländern liegen. Keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt es demgegenüber in Italien, Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden. In den Mindestlohnländern gibt es ebenso schwache (Frankreich) wie starke (England) Wirtschaften bei einem mit Deutschland vergleichbaren Lohnniveau, gleiches gilt jedoch auch in den Ländern ohne gesetzlichen Mindestlohn, z.B. Italien im Verhältnis zu Schweden. Was bedeutet der Mindestlohn für die deutsche Wirtschaft? Bisher ist das noch nicht absehbar, die gegenwärtigen Zahlen lassen keinen Einbruch befürchten. Verbesserungen dürfte es im Bereich der geringfügigen Beschäftigung geben, hier werden viele Beschäftigte weniger als bislang für ihre € 450,00 arbeiten müssen (maximal 53 Stunden pro Monat). Ausgenommen vom Mindestlohn sind Auszubildende, Praktikanten und Minderjährige zwischen 15 und 18. Übergangsregelungen gibt es bis Ende 2016 für die Fleischindustrie, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Wachund Sicherheitsdienst. Umgehungsversuche gibt es in der Taxibranche, wo Wartezeiten auf Kunden teilweise nicht als Arbeitszeit berechnet werden. Probleme gibt es im Bereich der kleinen Sportvereine, die sich eine Mindestlohnvergütung nicht leisten können und vermehrt auf ehrenamtliche Tätigkeit setzen müssen. All das wird sich einspielen im Arbeitsalltag. Der größte Akzeptanzblocker dürfte aber im Bereich der geringfügigen Beschäftigung und Teilen der Leiharbeit (z.B. Bau, Gaststätten, Fleischwirtschaft, Logistik) liegen, da hier der Arbeitgeber/Entleiher durch das Mindestlohngesetz verpflichtet wird, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens innerhalb einer Woche nach der Leistung der Arbeit zu dokumentieren und die Aufzeichnungen zwei Jahre aufzubewahren – auch wenn er immer wieder dasselbe notieren muss, weil gleichförmig gearbeitet wird! Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen kann allerdings davon ausgegangen werden, dass viele bisher benachteiligte qualifikationslose Beschäftigte deutliche Verbesserungen ihrer Einkommen erfahren werden. Also: viel Lärm um nichts? Der Einkommensstruktur in Deutschland dürfte das Mindestlohngesetz jedenfalls spürbare Vorteile verschaffen, wohingegen die jetzt bevorstehende Autobahnmaut durch den Verwaltungsaufwand für die Erfassung zum Nullsummenspiel werden dürfte.

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