1. September 2015
Magazin

Viel besungen und schmutzig

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UMWELT 

Viel besungen und schmutzig 

Die Elbe ist von einem intakten Ökosystem weit entfernt 

Im Hafen muss ständig gebaggert werden, sonst können die Frachter nicht mehr festmachen. Für die Stadtväter ein kostspieliges Unterfangen, denn der Flutstrom ist stärker als der Ebbstrom. Damit wird immer wieder neues Sediment in die Hafenbecken und die Segelhäfen entlang des Elbufers gespült.
Im Hafen muss ständig gebaggert werden, sonst können die Frachter nicht mehr festmachen. Für die Stadtväter ein kostspieliges Unterfangen, denn der Flutstrom ist stärker als der Ebbstrom. Damit wird immer wieder neues Sediment in die Hafenbecken und die Segelhäfen entlang des Elbufers gespült.

Mehr als die Hälfte aller Flüsse hat der Mensch in ihrem natürlichen Verlauf verändert. Damit hat er vielen Pflanzen und Tieren den Lebensraum genommen. Hinzu kommen Schadstoffe aus Industrie und Landwirtschaft.

Ihre Farbe ist meist grau-braun. An manchen Tagen spiegelt sich der blaue Himmel in ihr. Die Mittelmeer-Idylle trügt. Wer hier über Bord geht, hat kaum eine Chance, aus der brackigen Brühe gezogen zu werden. Denn die Elbe ist voller Sedimente, die eine Sicht unter Wasser von höchstens einem Meter möglich machen. Kurzum: Die Elbe zählt zu den schmutzigsten Gewässern Deutschlands. Zwar werden Flüssen und Seen „recht gute Badequalität“ nachgesagt, doch gerade mal zehn Prozent erfüllen die strengen ökologischen Anforderungen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Von einem intakten Ökosystem ist die Elbe weit entfernt. Auch wenn immer mehr Fische in den Fluss zurückkehren. Vor allem das aus der DDR-Ära stammende Quecksilber bereitet Naturschützern Sorge. Denn über Pflanzen und Kleinstlebewesen gelangt es heute noch in die Nahrungskette und reichert sich in Fischen an. Für den Menschen sind die Konzentrationen unbedenklich, aber für den Fischotter oder den Seeadler, die sich ausschließlich von Fischen ernähren, können sie lebensgefährlich sein.

„Das Wasser ist herrlich“, sagt Ute Krämer, greift zum Handtuch. Sie komme regelmäßig nach Blankenese zum Baden, sagt die Mutter eines Sohnes und freut sich über den warmen, sonnigen Abend am Elbufer. Wäre die Freude so ungetrübt, wenn sie wüsste, was in der braunen Brühe enthalten ist?

Der Senat müsse die Verklappung von Hafenschlick zwischen Neßsand und Blankenese stoppen, fordert der ehemalige Bürgerschaftabgeordnete Dr. Walter Scheuerl, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Daher weiß er, dass der in den Monaten November bis März zwischen der Elbinsel und Blankenese verklappte Schlick mit Arsen, Blei, Quecksilber und hochgiftigen Butylzinn-Verbindungen aus Antifoulingfarben belastet ist. „So wird die Wasserqualität zwischen dem Naturschutzgebiet Neßsand und Hamburgs schönsten Stränden verschlechtert.“

Nirgendwo ist die Belastung mit Quecksilber so hoch wie in der Elbe kurz hinter der Saale.

Außerdem kosteten die „unsinnigen Kreislaufbaggerungen“ den Hamburger Steuerzahler Millionen Euro. Den Blankeneser ärgert zudem, dass sich die Menge des verklappten Baggerguts und Schlicks im Jahr 2013 auf mehr als fünf Millionen Kubikmeter gesteigert habe. Im Jahr 2011 seien es 1,1 Millionen Kubikmeter gewesen, so dokumentiert Scheuerl ausführlich. Sichtbar und spürbar werde die Zunahme am Ufer und im Wasser. „Wer sich auf dem Wasser oder an den Stränden im Wasser aufhält, kann die zunehmend dichter werdenden Schlickwolken sehen und buchstäblich mit Händen greifen.“

Die vielen Badegäste am Elbufer scheinen das nicht zu bemerken. Eltern lassen ihre Kleinen unbesorgt im Wasser planschen, Schwimmer wagen sich weit hinaus in den Strom. Dabei ignorieren sie häufig die Schilder, die vor Sog und Wellenschlag vorüber fahrender Schiffe warnen.

Seit dem 20. Juli werden die Sedimente in die Nordsee zur Tonne E3 transportiert. Die Lage im Hafen sei angespannt, so Claudia Flocken, Mitglied der Hamburg Port Authority (HPA)-Geschäftsführung. Die „Baggerkampagne“ zur „Tonne 3“ sorge für eine wichtige Entlastung. Insgesamt gebe es mehr Sedimente als in den letzten Jahren so HPA-Sprecher Martin Boneß. So ist täglich die Alexander von Humboldt auf der Elbe unterwegs, um den ungeliebten Schlick seewärts zu transportieren.

Weil die Elbe in diesem Sommer wenig Waser geführt habe, sei der Schlicktransfer in das 25 Kilometer nordwestlich der Insel Scharhörn liegende Gebiet nötig geworden, so die HPA-Experten.

Strandleben an der Övelgönne. Um den störungsfreien Verkehr auf der Elbe und im Hafen zu gewährleisten, muss ständig gebaggert werden. Schon jetzt können die ganz großen Containerriesen wie die derzeit weltgößte „MS Zoe“ nicht voll beladen an- oder ablegen.
Strandleben an der Övelgönne. Um den störungsfreien Verkehr auf der Elbe und im Hafen zu gewährleisten, muss ständig gebaggert werden. Schon jetzt können die ganz großen Containerriesen wie die derzeit weltgößte „MS Zoe“ nicht voll beladen an- oder ablegen.
Ohnehin erinnert das ständige Baggern an Sisyphos (etwa um 1.400 vor Christi), der zur Strafe für seine Frevel einen Felsblock immer wieder einen Berg hinaufwälzen muss, der, fast am Gipfel, jedes Mal wieder ins Tal rollt.

Ähnlich ist es mit dem Schlick und Baggergut, das mit der Tide immer wieder in die Hafenbecken gespült wird. Die abgsetzten Sedimente werden dann mit dem ablaufenden Wasser nicht wieder herausgespült. Zudem ist die Flutströmung stärker als die Ebbströmung. Mit fatalen Folgen für große und kleine Hafenbecken.

Durch den großen Flutstrom werde erodiertes Material und Sediment flussaufwärts transportiert, so die HPAFachleute. „Der meist schwächere Ebbstrom transportiert dieses Material nicht vollständig ab. Nur ein Teil gelangt also mit dem Ebbstrom in die Nordsee. Die Sedimente lagern sich daher zunehmend im Fluss ab.

Künstliche Inseln vor der Elbmündung sollten die Fließgeschwindigkeit verringern.

Für Dr. Walter Scheuerl sind diese hausgemachten „Kreislaufbaggerungen“ durch das Verklappen von Baggergut aus Sand und Hafenschlick zwischen der Elbinsel Neßsand und Blankenese „gewässerwirtschaftlich und auch wasserbaulich unsinnig.“ HPA sieht das ganz ähnlich. „Sogenannte Kreislaufbaggerungen sollten möglichst vermieden werden. „Der Bagger muss erneut das Sediment baggern und im Fluss umlagern.“ Vor Jahren entstand so einmal die Idee, vor der Elbmündung künstliche Inseln zu schaffen, um so die Fließgeschwindigkeit des Flutstromes zu verringern. Ein Plan, der nie ernsthaft in Angriff genommen wurde.

Das ständige Baggern kostet der Stadt viel Geld. Seit 2014 greift zudem eine zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein vereinbartes Abkommen, wonach HPA sich bereits 2013 verpflichtete, pro Kubikmeter Baggergut zwei Euro an Schleswig-Holstein zu zahlen. Diese Zahlungen sollen Grundstock für eine neue Stiftung Nationalpark Wattenmeer sein. Im Rahmen dieser Vereinbarung dürfen 6,5 Millionen Kubikmeter Schlick zur Tonne E3 gebracht werden. Diese Höchstgrenze war 2008 festgelegt worden.

Schleswig-Holstein, so der Umweltminister des nördlichsten Bundelandes, werde darauf achten, dass das Baggergut streng auf Schadstoffgehalte untersucht wird. Unklar ist weiterhin, wie sich ein weiteres

Ausbaggern der Elbe auf die Fließgeschwindigkeit auswirkt. Während Befürworter einem Tieferlegen des Fahrwassers optimistisch entgegen sehen, warnen Umweltschützer vor den Folgen des Baggerns. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisiert ohnehin den Hamburger Senat regelmäßig. Der Zustand der Tideelbe (in einer Skala von sehr gut über gut, mäßig, unbefriedigend bis schlecht) werde als „mäßig“ eingestuft. „Vor allem infolge der Eindeichungen und des Ausbaus der Tideelbe als Wasserstraße im letzten Jahrhundert wurde stark in das ökologische System eingegriffen. Eines der dramatischsten Beispiele für die heutige defizitäre Situation ist das jährlich wiederkehrende sommerliche „Sauerstoffloch“, das auch 2014 wieder zu einem großen Fischsterben führte.“

Ungeachtet von Sedimenten, Flut- und Ebbstrom wird die Elbe als Ausflugsziel von Jahr zu Jahr beliebter. An sommerlichen Tagen erinnert das Strandleben an Postkarten aus den 1920er Jahren.

Dicht an dicht liegen die Badelaken, mit Bierkisten und Stereoanlagen beladene Bollerwagen rollen ans Ufer. Immer mehr Besucher kühlen sich im Wasser ab. Die Kleinen buddeln begeistert im Sand. Auch die Zahl der Angler nimmt ständig zu. Alles Indizien für eine verbesserte Wasserqualität. Trotzdem rät die Umweltbehörde nach wie vor vom Baden in der Elbe dringend ab. Verboten ist das Schwimmen zwar auch hier nicht, doch die durch große Schiffe erzeugten Strömungen bergen die Gefahr, dass Schwimmer in die Fahrrinne gezogen werden. Dass die Elbstrände am Finkenrieker Hauptdeich und in Wittenbergen von der DLRG überwacht werden, bedeute im übrigen nicht, dass das Baden dort ungefährlich sei.

Ute Krämer wird bei gutem Wetter trotz aller Warnungen in der Elbe schwimmen. „Ich kenne den Fluss seit vielen Jahren und weiß um die Gefahren.“

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.hamburg-port-authority.de

Zeise - Arbeiten in Ottensen

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