1. August 2016
Magazin

„Verstärkt privat unterbringen“

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FLÜCHTLINGE

„Verstärkt privat unterbringen“

Fragen zum Bürgervertrag

Nach zähen Verhandlungen wurde zwischen der „Volksinitiative für gute Integration“ und den Regierungsfraktionen von SPD und Grünen eine Einigung erzielt.

Klaus Schomacker FOTO: SCHOMACKER
Klaus Schomacker 

FOTO: SCHOMACKER
Herr Schomacker, mit welchen Argumenten konnten Sie die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen überzeugen, die Zahl der Flüchtlinge in Rissen zu reduzieren?

Zwei Gründe waren dafür maßgeblich:

1. Dass es überhaupt zu einer Reduzierung kam, lag an den aktualisierten Zahlen für die Unterbringungsmöglichkeiten der Stadt. Wir konnten nachweisen, dass die Stadt die Expresswohnungsbauten nur zu einem kleinen Teil (zirka 8.000 Plätze bis Ende 2017) benötigt. Die Expressbauten waren also nicht alternativlos. Wir haben uns bei den Verhandlungen entschlossen, über „Szenarien“ zu sprechen. Das Szenarium der Stadt unterstellt, dass die Anzahl der Flüchtlinge in 2015 auch in 2016 und 2017 erneut kommen (zirka 850.000/ Jahr).

2. Das Szenario des Bundesministeriums für Finanzen (HGI-Szenario) geht davon aus, dass 400.000 2016 und 300.000 in den Folgejahren kommen. Das führt zu einem unterschiedlichen Unterbringungsbedarf. (500 oder 400 Flüchtlinge).

„40 Stadtteile ohne jeden Flüchtling“

Bei der Suche nach neuen Flüchtlingsstandorten sollen vorrangig Stadtteile ausgewählt werden, die bisher einen „unterdurchschnittlichen Beitrag zur Unterbringung“ geleistet haben. An welche Stadtteile denken Sie dabei?

 An keine Stadtteile besonders. Bereits im Januar 2016 war klar, wie unterschiedlich die Stadtteile belastet sind. Dies ist keine gute Voraussetzung für Integration. Aber zum Beispiel hat Blankenese ja deutlich dafür geworben, dass auch dort Flüchtlinge hinkommen sollen. Anfang 2016 gab es mehr als 40 Stadtteile ohne jeden Flüchtling!
 

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Welche Möglichkeiten sehen Sie, wenn die Flüchtlingszahlen wieder dramatisch ansteigen sollten?

Dafür sieht die Regelung mehrere Möglichkeiten vor:

1. Die beschleunigte Prüfung der Asylanträge nach dem Heidelberger Modell in der neuen Erstaufnahmen in Meinendorf (ZEA). Maximale Kapazität 1.200 Flüchtlinge/ Tag.

2. Den Ausbau der öffentlich-rechtlichen Unterkunft (ÖRU) auf 300. (Dann gäbe es bis zu 900.000 Plätzen)

3. In der aktuellen ÖRU wird die Belegung dramatisch reduziert (50 Prozent). Die Belegung kann gegebenfalls wieder hochgefahren werden.

4. Aktuelle Unterbringungen werden geschlossen, aber nicht abgebaut. Sie dienen eine „Zeit lang“ als Puffer.

5. Perspektivisch sollen die Flüchtlinge im normalen Wohnungsbau untergebracht werden. Das war auch 1989 bis 1993 so, als bereits einmal 100.000 Flüchtlinge nach Hamburg kamen. Derzeit sind es weniger als 25.000. Daher hat die Stadt ihr „Bündnis für Wohnen“ auf 10.000 erhöht und wir haben usätzlich zehn Prozent mehr Planungen vereinbart. Zusätzlich wurden Anstrengungen im Bereich Dachgeschossausbau (bei energetischen Sanierungen zum Beispiel) und Aufstockungen vereinbart. Dazu wird es auch ein Forschungsprojekt der HCU mit der Architektenkammer geben.

6. Private Unterbringung (soll ebenfalls gestärkt werden (zum Beisspiel bei der Wohnbrücke).

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Im Bürgervertrag Rissen ist an mehreren Stellen von „guter Durchmischung“ die Rede. Was verstehen Sie darunter?

Im Bürgervertrag ist geregelt: „Zur Wahrung der Durchmischung dürfen auf der Fläche des Bauabschnitts 1 zu keiner Zeit mehr als 300 Flüchtlinge untergebracht werden. Schrittweise wird eine mit dem Eigentümer einvernehmliche Reduzierung der Wohneinheiten für Flüchtlinge vorgenommen. Die zunächst als ÖRU genutzten Wohneinheiten werden in den allgemeinen Wohnungsmarkt überführt. Es besteht Einigkeit darin, schnellstmöglich eine Gleichverteilung der ÖRU-Anteile auf den beiden Bauabschnitten herzustellen.“ Die Belegung der Flüchtlings-Wohneinheiten im Rahmen von ÖRU soll, wie dargelegt, gemischt erfolgen. Die Wohnungen sind ausschließlich mit Flüchtlingen mit guter Bleiberechtsperspektive grundsätzlich nach Maßgabe der Definitionen von BAMF/BMI zu belegen, die vorrangig aus Gemeinschaftsunterkünften des Bezirks Altona, optimaler Weise aus Sieversstücken, kommen sollen. Angestrebt werden soll eine Mischung aus Familien (mindestens 60 Prozent) und Einzelpersonen, die ein gutes Funktionieren des Quartiers gewährleisten.

Rechnen Sie mit Konflikten und mehr Kriminalität, weil Sie das Polizeikommissariat 26 personell aufstocken wollen?

Nein, ich rechne nicht mit mehr Kriminalität. Die Stadt leitet aus ihren Erfahrungen eine gewisse Präsenz und Verfügbarkeit ab, die sich entsprechend eines Bevölkerungsschlüssels auf die Dienststellen auswirkt.

Der Vertrag reicht zeitlich bis in das Jahr 2032 hinein. Wie sicher sind Sie, dass der Vertrag Bestand hat?

Sehr sicher! Die Politik hat wahrgenommen, wie wichtig es ist, die Perspektive der Bürger wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Allerdings auf Augenhöhe und nicht in Form eines Bürgerdialogs, der nur der Umsetzung von Beschlüssen dienen sollte.

Fragen: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.vin-rissen.de

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