2. Mai 2016
Magazin

Unter Generalverdacht

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FLÜCHTLINGE

Unter Generalverdacht

Blankenese

Pro-Flüchtlings-Demonstration rund um den Blankeneser Marktplatz
Pro-Flüchtlings-Demonstration rund um den Blankeneser Marktplatz
Anwohner am Björnsonweg blockieren die Zufahrt. Demonstranten rücken mit Sägen an. Wenige Tage später brennen Autos – Blankenese sorgte so gleich mehrfach für Schlagzeilen.

Rufen sogenannte Autonome zum „Kettensägenmassaker“, dann ist ihnen Aufmerksamkeit garantiert. Sollen die Sägen in Blankenese angesetzt werden und geht es dabei um ein Flüchtlingsquartier, trotzen Fotografen wie Sympathisanten Stunde um Stunde tapfer der Kälte. Anlass für das Spektakel der rund vier Dutzend per Fahrrad gekommenen Demonstranten war eine Straßenblockade von Anwohnern des Björnsonweges. Die verhinderten so die vorbereitenden Arbeiten für eine Flüchtlingsunterkunft. Die beauftragten Firmen mussten wieder abrücken. Seitdem sorgen sich Blankeneser um den guten Ruf ihres Stadtteils. Denn landesweit wurde der Fall kommentiert und interpretiert.

Szenen aus Blankenese: Demonstranten fällen am Björnsonweg symbolisch eine Birke.
Szenen aus Blankenese: Demonstranten fällen am Björnsonweg symbolisch eine Birke.
Dabei werden auch von vermeintlich seriösen Sendern und Zeitungen sattsam bekannte Klischees über den Stadtteil ausgebreitet. Nahezu alle Kommentatoren und Berichterstatter wollen dabei auf der moralisch wertvollen Seite stehen. „Nobelstadtteil“ schreibt die „Zeit“, vom „Nobelviertel“ fabuliert die „Welt“. Andere schreiben vom „vornehmen Stadtteil“ und „Luxuskarossen“. Wie falsch dieses Bild in seiner Pauschalität gezeichnet wird, weiß jeder, der mit offenen Augen durch das Dorf geht. Neben Prachtbauten stehen da auch bescheidene Rotklinker-Mietshäuser, in den Cafés sitzen neben pensionierten Lotsen auch Normalverdiener.

Dass anderenorts auch, darunter ein linkes Bauwagenprojekt in Berlin, Menschen Flüchtlinge als Nachbarn ablehnen, wird in diesem Fall schlicht vergessen. Es lebe der Holzhammer, das holzschnittartige Bild.

So faseln die zum Kettensägenmassaker angereisten Demonstranten von „Perlenketten“ und „Champagner trinkenden“ Reichen.

An der Elbchaussee brennen zwei Autos.
An der Elbchaussee brennen zwei Autos.
Während die direkt vor der geplanten Flüchtlingsunterkunft am Björnsonweg in Deckung gingen, demonstrierten andere Blankeneser, darunter der „Runde Tisch“, für „mehr Miteinander“.

Zu den alteingesessenen und sich gern zu Wort meldenden Blankeneserinnen gehört Monika Lühmann. „Blankenese ist bunt und offen.“ Sie ärgere sich sehr über die Vorurteile. Dem langjährigen, ehemaligen Bezirksamtleiter Hans-Peter Strenge ging es ähnlich. Er demonstrierte mit, „damit sich das wahre Blankenese zeigt“. Dem Musiker Rolf Zuckowski ging es vor allem um die „Solidarität“. Blankenese sei „als Ort viel mehr als die Vorurteile der letzten Tage“.

Die Schlagzeilen in der Boulevard-Presse „Schande von Blankenese“ und „Aufstand der Anständigen“ hat mehrere hundert Demonstranten auf die Straße gebracht. Darunter marschierten in der ersten Reihe drei Flüchtlinge mit.

Monika Lühmann demonstriert für Flüchtlinge
Monika Lühmann demonstriert für Flüchtlinge
Die angezündeten Autos gänzlich unbeteiligter Elbvorortler werden in dieser Diskussion als Kollateralschaden hingenommen. Für die Brandsstifter aus dem vermutlich linksradikalen Spektrum sind es ohnehin „Vertreter des globalen Kapitalismus“.

Wie es im Konflikt um das Flüchtlingsquartier am Björnsonweg weitergeht, war bei Redaktionsschluss nicht klar. Das Verwaltungsgericht prüft, ob mit der Baugenehmigung gegen Umweltrecht verstoßen wurde. Nach wie vor stehen die Bäume auf der umstrittenen Fläche.

Denn das angekündigte „Kettensägenmassaker“ zeigte sich eher als Laubsägearbeit.

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de
Redaktionelle Mitarbeit: Louisa Heyder 

www.blankenese.de/runder-tisch

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