1. Dezember 2016
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Ein Geschäft mit vielen Seiten

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UNTERNEHMER DES MONATS  

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Buchhandel

Seit 1948 ist die Buchhandlung Kortes eine beliebte Adresse bei Bibliophilen. Seit 2006 hat Hiltrud Klose aus dem Traditionshaus ein lebendiges Zentrum des literarischen Lebens gemacht.

Hiltrud Klose in ihrer Buchhandlung. Die gravitätischen Dielen täuschen – die Räume haben eine energische Verjüngung hinter sich
Hiltrud Klose in ihrer Buchhandlung. Die gravitätischen Dielen täuschen – die Räume haben eine energische Verjüngung hinter sich
Eine Buchhandlung gleicht, von der wirtschaftlichen Seite betrachtet, einer Belagerung. Wir sehen eine unverkennbar europäisch konstruierte Festung, umringt von Angreifern, auf deren Banner Amazon steht, eBay, E-Book, TTIP und CETA. Bemerkenswert ist, wenn die Belagerung über Jahre ohne nennenswerten Erfolg verläuft und die Festung Jubiläen mit Sekt und Glückwünschen feiert. So geschehen in der Buchhandlung Kortes in diesem September.

2006 übernahm die studierte Germanistin Hiltrud Klose die Buchhandlung Kortes. Diese war bereits 1921 von Alfred Kortes in der Uckermarck gegründet worden. Die Blankeneser Dependence folgte 1946, als erste von den britischen Militärbehörden zugelassene Buchhandlung. Nach einem Start in der Hasenhöhe zog Kortes in die Elbchaussee 577 um. 1971 verkaufte der Namensgeber an den Buchhändler Rainer Völker, der in den folgenden 35 Jahren zur ersten Anlaufstelle für Leser der Umgebung wurde. 2006 übergab Völker die Buchhandlung aus Altersgründen an die damals 53- jährige Hiltrud Klose. Freunde rieten ihr zu einem sanften Übergang bei kleinen Kosten, aber das ging nicht.

„Auf den Dielen lagen drei Schichten Teppich“, erinnert sie sich. „Die Schaufenster waren alle zu.“ Dunkel sei es gewesen, wenig einladend und vor allem war es in diesem Zustand nicht wirklich ihre Buchhandlung. Klose nahm einen Kredit auf, engagierte Handwerker und riss alles raus: Teppiche, Verschalungen, Staubfänger, ganze Wände … Dann kam das Sortiment an die Reihe. Klose hatte nach ihrem Studium den Beruf der Buchhändlerin gelernt, arbeitete anschließend in mehreren Buchhandlungen, darunter Christiansen in Ottensen, und traute sich ein zielgruppengerechtes Sortiment zu.

Tatsächlich blieben Rainer Völkers Stammkunden zu großen Teilen treu, fühlten sich offenbar kompetent betreut. Diese persönliche und unabhängige Beratung führt Klose auch heute noch als das Erfolgsrezept von Kortes an. Die Buchhändlerin und ihre beiden Mitarbeiterinnen, Cathrin Stenzel und Helle Erichsen, lesen sich mit Fleiß und Ausdauer durch Neuerscheinungen, merken sich die Vorlieben ihrer Kunden und sprechen dann tatsächlich Empfehlungen aus, die passen.

Die Konkurrenz durch Amazon sieht Klose daher entspannt – solange sie nicht über den Preis läuft. Angesprochen auf die Buchpreisbindung zeigt sie wenig Optimismus. Noch hat diese Marktregulierung TTIP-, CETA- und die immer wieder aufflackernden Wettbewerbsdebatten überstanden. Wenn die Bindung eines Tages jedoch fiele, bliebe der Buchhandlung wenig Spielraum. Den Kredit der Anfangstage zahlt Klose bis heute ab. Sie arbeitet im Schnitt 60 Stunden die Woche bei einem – branchenüblich – eher bescheidenen Verdienst. Dagegen stehen jedoch ein weitgehend selbstbestimmter Alltag und die Überraschungen der Literatur.

Unternehmens-Auftritt: 

www.buchhandlung-kortes.de


Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de

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