1. August 2016
Magazin

Das Brot des Bäckers

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EINZELHANDEL

Das Brot des Bäckers

Knackiges aus der Backstube

FOTO: IKONOKLAST_HH_FOTOLIA.COM
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Für die meisten Menschen gehören Brot und Brötchen zum Morgen wie Frühstücksei und Marmelade. Wem es dabei auf Geschmack und Gesundheit ankommt, lässt Industrieware liegen und greift zu handwerlich erstklassigem Backwerk.

Oft nehmen Literatur und Film vorweg, was erst Jahre später überdeutlich wird. So wie in dem Film „Das Brot des Bäckers“, 1974 das Filmdebüt des Regisseurs Erwin Keusch. „Was Moby Dick für den Walfang, ist dieser Film für das Brotbacken“, zitierte später die „Financial Times“ aus dem Buch „Der Neue Deutsche Film“.
  

Beim Traditionshandwerk wie in der Blankeneser Bäckerei Körner kommt nur in den Teig, was nötig ist. Es sei denn, es geht um Leinsamen oder Chia-Samen.
Beim Traditionshandwerk wie in der Blankeneser Bäckerei Körner kommt nur in den Teig, was nötig ist. Es sei denn, es geht um Leinsamen oder Chia-Samen.
Keusch, selbst Sohn eines Bäckers, erzählt in diesem Film die Erfahrungen des Bäckerlehrlings Werner, der in einer familiär geführten Bäckerei lernt. Bald gerät die Bäckerei in Schwierigkeiten, nachdem in der Nachbarschaft ein Supermarkt öffnet. Später im Film findet der Sohn des Bäckers eine Lösung, indem er sich zusammen mit anderen Gesellen auf Dinge spezialisiert, die der Supermarkt nicht bietet – Vollkorn und Ökobrot.

Was sich damals in dem mit dem Bundesfilmreis ausgezeichneten Streifen abzeichnete, kann heute im Hamburger Westen an vielen Ecken beobachtet werden. Nach wie vor stehen Bäckermeister, ihre Gesellen und Lehrlinge mitten in der Nacht in der Backstube, kneten und formen den oft tags zuvor angesetzten Teig auf ganz traditionelle Art zu Broten und Brötchen. So wird heute noch in der Bäckerei Körner das Brot „Kleiner Max“ verkauft. „Das Brot geht auf meinen Urgroßvater zurück, der es damals für seinen Sohn, meinen Großvater, erfand und buk“, so Bäckermeisterin Sabine Möller. Sie führt die Bäckerei Körner heute in vierter Generation.

Im Regal lagern Käsestangen, „Roggensaft-Brot“ und „Frühlingsbrot“.

„Was Moby Dick für den Walfang ist, ist dieser Film für das Brotbacken“

Sabine Möller führt die Bäckerei Körner in vierter Generation. Hier mit dem traditionsreichen Brot „Kleiner Max“.
Sabine Möller führt die Bäckerei Körner in vierter Generation. Hier mit dem traditionsreichen Brot „Kleiner Max“.
Das knusprige Brotangebot bei Gaues lässt Kunden geduldig warten.
Das knusprige Brotangebot 

bei Gaues lässt Kunden 
geduldig warten.
Kannte der östliche Teil Deutschlands bis zum Zusammenbruch des Ostblocks kaum mehr als Grau-, Weiß- und Schwarzbrot, steht der Kunde heute häufig ratlos vor einem überbordenden Angebot. Immer wieder kommen neue Sorten wie etwa das zur Zeit modische Chia-Brot hinzu. Chia habe eine hohe Wasserbindung, so bleibe das Brot länger saftig, erklärt Sabine Möller, die ihr Handwerk liebt und lebt. Kein Wunder, dass alle ihre 34 Brotsorten ausgezeichnet wurden. Die Bäckerei Körner zählt zu den besten im Land. In Hamburg gehören unter anderem die Bäckerei Bahde in Finkenwerder, Effenberg am Rotherbaum und das Eppendorfer Springer Backwerk dazu.

Für den Hamburger Kunden ist die Vielfalt in Sachen Brot und Brötchen besonders ausgeprägt. Hinzu kommt, dass jeder Bäcker oder auch die Ketten ihre Brötchen anders nennen. Da gibt es „Weltmeister“, „Knackfrische“, „Sonnenkrüstchen“, „Goldjungs“ und „Stadt-Crosser“. Ähnlich der oft aberwitzigen Sommelier-Prosa in der Weinbranche feiert das Bäckerhandwerk skurrile Wortschöpfungen, um ihre Backwaren über den Tresen reichen zu können.

Brötchen-Namen, ähnlich der Sommelier-Prosa

„Backhus“-Verkäuferin in Blankenese. Hier werden zahllose Sorten von Brot, Brötchen, Kuchen und Torten angeboten. Ihre Bezeichnungen sind ähnlich bunt wie anderenorts auch. FOTOS: HELMUT SCHWALBACH 
„Backhus“-Verkäuferin in Blankenese. Hier werden zahllose Sorten von Brot, Brötchen, Kuchen und Torten angeboten. Ihre Bezeichnungen sind ähnlich bunt wie anderenorts auch. FOTOS: HELMUT SCHWALBACH 
Ähnlich der Vielfalt an Brot und Brötchen sowie ihren Namen haben sich Bäckereien großzügig in den Einkaufsstraßen der Elbvororte angesiedelt. So verkauft die Bäckerei Körner ihre Backwaren auch in Rissen, ebenso wie die das Unternehmen Junge, das demnächst auch in Blankenese eine Filiale eröffnet und auch in der Waitzstraße im vergangenen Herbst auf großer Fläche startete.

Fast alle produzieren dabei auf traditionelle Weise. Wie etwa die „Bäckerei & Konditorei Dutz“ in Sülldorf, die ebenfalls in Sülldorf beheimatete Bäckerei Hansen und Gaues aus Hannover. Seit Gaues im vergangenen Jahr in Blankenese eröffnete, bilden sich besonders an Sonnabenden im Geschäft lange Schlangen. Ob das kleine Geschäft von Effenberger in der Blankeneser Bahnhofstraße das spürte, muss unklar bleiben. Fest steht, dass im Backhus die Schlangen deutlich kürzer wurden, seit auch in Hannover für Hamburger gebacken wird.

Manchem Elbvorortler wird die Vielfalt an Bäckereien inzwischen zu groß. Geht es um die Einkaufsstraßen des Hamburger Westens klagen die Kunden gern über zu viele Bäckereien. Die Dichte an Maklern, Banken, Bäcker und Apotheken wird häufig kritisiert. „Das ist schon ein wenig eintönig“, so eine Passantin an der Blankeneser Bahnhofstraße. Was Kritiker dabei vergessen: Die Nachfrage regelt das Angebot. So lange ein Geschäft gewinnbringend läuft, wird der Unternehmer es betreiben.

Wenn das Angebot dabei so vielfältig ist wie bei den Bäckereien, kann sich der Käufer freuen. In anderen Stadtteilen ist die Situation längst nicht so erfreulich. Wo überwiegend nach Preis gekauft wird, dominieren Supermärkte und Discounter mit industriell gebackenem Brot den Markt. 


Bärbel Ahrens, Filialleiterin in der Konditorei Schmidt in Othmarschen. Produziert werden Kuchen und Brot in der Großen Elbstraße. Von hier geht der beste Kuchen der Stadt in mehrere Filialen.
Bärbel Ahrens, Filialleiterin in der Konditorei Schmidt in Othmarschen. Produziert werden Kuchen und Brot in der Großen Elbstraße. Von hier geht der beste Kuchen der Stadt in mehrere Filialen.

Auch in der Bäckerei Hansen wird Tradition besonders gepflegt. Produziert wird in Sülldorf, verkauft an mehreren Stellen der Elbvororte. FOTOS: HELMUT SCHWALBACH 
Auch in der Bäckerei Hansen wird Tradition besonders gepflegt. Produziert wird in Sülldorf, verkauft an mehreren Stellen der Elbvororte. FOTOS: HELMUT SCHWALBACH 
Denn bei Brot gibt es gewaltige Preisunterschiede. Gibt es ein „Krustenbrot“ bei Aldi schon für 1,19 Euro, kann der Kunde im Biobreich leicht über fünf Euro hinlegen müssen.

Oxbrot und Sylter Weißbrot, Krusten- und Frühlingsbrot  

Möglich wird das billige Brot, weil es aus Fabriken kommt, die Teig formen und auf Backstraßen halbfertig backen. Danach werden die Teiglinge schockgefrostet und tiefgekühlt in die Supermärkte geliefert. Erst dort werden sie dann zu „frischen Broten“ aufgebacken. 

Bäckerei Junge eröffnet demnächst auch in Blankenese eine Filiale. 
Bäckerei Junge eröffnet demnächst auch in Blankenese eine Filiale. 

Bei Bäckerei Hansen in der Waitzstraße kehren viele Passanten auf ein Stück Küchen ein.
Bei Bäckerei Hansen in der Waitzstraße kehren viele Passanten auf ein Stück Küchen ein.
Was alles an Zusatzstoffen in den Backwaren steckt, ist ganz verschieden. Als unbedenklich gilt dabei Gerstenmalzextrakt, der das Brot dunkler färbt und dadurch den Eindruck von gesünder vermittelt. Anders verhält es sich mit Verdickungsmittel Gurnakernmehl. Nach Ansicht der Ernährungsmedizinerin Dr. Anne Felck kann es Blähungen verursachen. Generell hält sie Zusatzstoffe im Brot für kritisch, weil über mögliche Langzeitschäden vieler Stoffe noch nichts bekannt ist. So werden bei industriell gefertigtem Brot Enzyme eingesetzt, die für künstliche Frische sorgen sollen. Aldi Nord dazu zum NDR: Enzyme dienten zur „Verbesserung der Teigstruktur des fertiggebackenen Brotes“. Fazit: Am besten schmeckt Brot vom Handwerksbäcker. Brot ohne Zusatzstoffe und Enzyme sind für den Experten die bessere Wahl. Lange Zeit galt: Je feiner das Brot, umso höher der Stand. Das hat sich seit dem Öko-Boom geändert. Der Purist beißt tapfer in sein Schwarzbrot. Wobei Weißmehl bei einigen Gesundheitsaposteln ohnehin in Verruf geraten ist. Zu Unrecht, sagt Sabine Möller und erzählt von Gluten. Doch das ist eine andere Geschichte.

Noch einmal zum „Brot des Bäckers“. Wer diesen Film je gesehen hat, wird anschließend ganz anders ins Brot beißen, als der Discounter-Käufer. Wer sich dann noch klar macht, dass viele Bäcker bereits morgens um 2 Uhr in der Backstube stehen, wird das Handwerk mehr schätzen als die Männer und Frauen, die sich in schicken Büros sitzend absurde Namen für die Backwaren ausdenken.

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.hamburg.de

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