SOMMERLEKTÜRE
Was lesen Redakteure und Buchhändler?
Tipps und Empfehlungen
Es gibt Menschen, die nehmen sich Urlaub, um zu lesen. So richtig abtauchen in eine fremde Gedankenwelt – wann ist das im Alltag schon möglich? Gerade, wenn es sich um den berüchtigten „Ziegel“ mit knapp 1.000 Seiten handelt oder eine ganze Buchreihe geschafft werden soll, dann braucht es freie Tage und wenig Ablenkung.
Auf den folgenden Seiten finden Sie Tipps der KLÖNSCHNACK-Belegschaft und des Handels – gnadenlos ehrlich! Es gab keine Zensur, keine Vorauswahl, nur die Frage der Buchliebhaber: Was soll ich lesen?
Charles Bukowski
Faktotum
Einmal im Jahr sollte man ihn lesen und sich dabei vor Augen halten, warum Bukowski ein Klassiker geworden ist: Er ist so komisch. Die ständige Sauferei kann nerven, richtig, aber sie ist letztlich eine Metapher für das Gegen-den-Strom-Schwimmen – und in den Zeiten der veganen Selbstoptimierung wichtiger denn je. „Faktotum“ ist wohl das zugänglichste Buch Bukowskis und ein guter Einstieg. Aber auch „Der Mann mit der Ledertasche“ macht deutlich, worum es geht.
Wer aber partout nicht über „Hank“ lachen kann, der sollte sich fragen, wann er das letzte mal über sich selbst gelacht hat und ob er das Leben rund um „Herausforderungen“ nicht einen Funken zu ernst nimmt.
Tim Holzhäuser nutzt „Buk“ als Abstandshalter gegen die Verbissenheit.
dtv, Taschenbuch, 224 Seiten
ISBN 978-3-423-12387-7
Preis € 9,90
Daniel Kehlmann
Tyll
„Wir begriffen, wie das Leben sein kann für einen, der wirklich tut, was er will, und nichts glaubt und keinem gehorcht.“ Die eigentlich mittelalterliche Figur Till Eulenspiegel wird von Daniel Kehlmann als Tyll Ulenspiegel in den Dreißigjährigen Krieg versetzt, wo er als Seiltänzer und Lebenskünstler durch die Lande zieht und den Menschen intelligente Streiche spielt. Dem Schrecken und der Gewalt des Krieges, aber vor allem der Lebensart der damaligen Zeit, hält der rebellische Gaukler gekonnt den Spiegel vor.
Kehlmann zeigt auch in diesem historischen Roman, dass er die Schreibkunst wahrlich beherrscht, und weiß den Leser mit toller, atmosphärischer Sprache zu unterhalten, ohne dabei wie so manch anderer Gegenwartsautor-Kollege (Tellkamp lässt grüßen!) mit bemüht verschachtelten Sätzen zu nerven.
Louisa Heyder ist schon seit Jahren großer Kehlmann-Fan.
Rowohlt Verlag, Hardcover, 480 Seiten
ISBN 978-3-498-03567-9
Preis € 22,95
Don Winslow
Pacific Private
Arbeiten, um zu leben, nicht leben, um zu arbeiten: Häufig wird dieser Satz zitiert, selten wird er beherzigt. Ganz anders Boone Daniels in „Pacific Private“. Der lebt, um zu surfen. Nebenbei übernimmt er als Privatdetektiv ein paar Jobs, doch nur soviel, um noch rechtzeitig am Strand zu sein, wo er mit seinen Freunden die großen Wellen erwartet. Surfen und Freundschaft – darum geht es Boone Daniels. Beides ist wichtiger als beruflicher Erfolg und Konsum.
Tragische, komische und originelle Charaktere werden hier zu einer Welle, die alles Trübe mitreißt. Und immer wieder geht es um Freundschaft zu den mit Daniels surfenden Kumpels. Um die Dinge, auf die es im Leben wirklich ankommt.
Helmut Schwalbach kennt alle Romane von Don Winslow. Den Privatdetektiv Boone Daniels liebt er besonders.
Suhrkamp, Taschebuch, 394 Seiten
ISBN 978-3- 518-46096-2
Preis € 9,99
Fitzek und Tsokos
Abgeschnitten
Das Gemeinschaftswerk von Sebastian Fitzek („Flugangst 7A“) und dem Gerichtsmediziner Michael Tsokos gibt sich auf dem Cover noch puristisch, aber innen „geht es richtig zur Sache“ („Stern“).
Rechtsmediziner Paul Herzfeld findet im Kopf einer monströs zugerichteten Leiche die Telefonnummer seiner Tochter. Hannah wurde verschleppt – und für Herzfeld beginnt eine perverse Schnitzeljagd. Denn der psychopathische Entführer hat eine weitere Leiche auf Helgoland mit Hin – weisen präpariert.
Das Buch ist ein spannender page turner, aber – glücklicherweise – nicht sonderlich glaubwürdig. Für Thriller-Fans eine klare Empfehlung.
Panja Bohlmann verschlang das Buch an einem Wochenende.
Knaur, gebunden, 393 Seiten
ISBN 978-3-426-51091-9
Preis € 19,90
Isabel Bogdan
Der Pfau
„Irgendwann musste ja auch ein Pfau mal erwachsen werden, und dann konnte er nächstes Jahr ganz normal balzen, statt sich auf alles zu stürzen, was blau war.“ Isabel Bogdan ist zwar keine Britin, aber sie schreibt mit bestem schwarzen Humor. „Der Pfau“ strickt eine Geschichte um das schrullige Ehepaar Lord und Lady McIntosh, die Ferien auf ihrem schottischen, schon etwas in die Jahre gekommenen Landsitz anbieten. Neben den Gästen beherbergen sie allerlei Getier – auch einen außer Kontrolle geratenen Pfau, der auf alles losgeht, was blau ist.
Das passt gerade gar nicht, denn es hat sich eine Gruppe Banker angekündigt, die in den Highlands ein Teambuilding-Seminar absolvieren müssen.
Anna-Lena Walter verschenkt das Buch seither immer wieder zu Geburtstagen.
Insel Verlag, Taschenbuch, 247 Seiten
ISBN 978-3458362975
Preis € 10
Maile Meloy
Bewahren Sie Ruhe
BliLiv und Nora, verheiratet mit jeweils zwei Kindern, sind Cousinen und beste Freundinnen. Die beiden Familien beschließen zur Entspannung und Ablenkung gemeinsam eine Kreuzfahrt entlang der Pazifikküste von Los Angeles bis in den Panamakanal zu unternehmen. Doch was dann auf einem Landausflug in Costa Rica passiert, ist der absolute Albtraum! Wegen eines Moments der Unachtsamkeit verschwinden die Kinder spurlos vom Strand. Während die Eltern sich gegenseitig erbittert beschuldigen, kämpfen die Kinder in dem fremden Land ums blanke Überleben. Ein ungemein spannender und unterhaltsamer Roman – ein rasanter Mix aus Familienroman und Thriller!
Andrea Hinz-Meyer konnte das Buch nicht aus der Hand legen.
Kein & Aber, Hardcover, 354 Seiten
ISBN 978-3-0369-5776-0
Preis € 23
Janet Lewis
Die Frau, die liebte
In „Die Frau, die liebte“ erzählt Janet Lewis die tragische Liebesgeschichte von Bertrande und Martin Guerre. Nach achtjähriger und ungeklärter Abwesenheit von Martin kehrt eines Tages ein Mann ins Dorf zurück und behauptet, DER Martin Guerre zu sein. Seine Ehefrau, sein inzwischen zehnjähriger Sohn und die Dorfbewohner nehmen den liebenswürdigen Mann dankbar auf. Aber ist dieser Mann wirklich Martin Guerre?
Bertande beginnt daran zu zweifeln und strengt eine richterliche Untersuchung an. Zwar ist der „neue“ Martin Guerre liebenswert, zärtlich und mit ganzem Herzen ihr und dem Kind zugewandt (der „alte“ war herrisch, launisch und ungerecht), aber ihr tiefer Glaube verbietet ihr einen möglichen Ehebruch.
Mit dem Gerichtsprozess nimmt die Tragödie ihren Lauf …
dtv, Hardcover, 136 Seiten
ISBN 978-3423-28155-3
Preis € 18
Tom Wolfe
Ein ganzer Kerl
Seine Anzüge waren stets hell und maßgeschneidert. Den Borsalino keck auf dem Haupthaar – und fertig war der Dandy. Am 14. Mai 2018 starb Tom Wolfe im Alter von 88 Jahren. Der Reporter und Kenner der (amerikanischen) Gesellschaft hinterlässt Pflichtlektüre. Neben „Fegefeuer der Eitelkeiten“ hat mich „Ein ganzer Kerl“ total fasziniert. Absolut lesenswert:
Auf dem Höhepunkt seines Lebenswerkes sieht sich der bullige, erfolgsverwöhnte Immobilienkönig, Pferdezüchter und Multiunternehmer Charlie Croker kurz vor dem Aus. Er hat sich verspekuliert. Doch nicht nur Croker kämpft ums Überleben. Auch der schwarze Anwalt Roger White II gerät ins Sperrfeuer der Konflikte zwischen Schwarz und Weiß. Und der junge Familienvater Conrad Hensley sieht sich mit der brutalen Welt eines Männergefängnisses konfrontiert. Atmosphärisch dicht erzählt, fördert der Stoff mühelos die Lesewut.
Klaus Schümann konnte nicht aufhören zu lesen.
Heyne Verlag, Taschenbuch, 1.088 Seiten
ISBN 978-3-453-40814-2
Preis € 12,99