31. August 2018
Magazin

„Ein Ja zum Leben …“

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INTERVIEW DES MONATS 

„Ein Ja zum Leben …“

Sagen Sie mal …
…Gitte Hænning, Künstlerin

35 Jahre nach dem Hollywood-Film „Flashdance“ kommt die Geschichte nun als Musical auf die Bühne. Dabei übernimmt Gitte Hænning die Rolle der Hannah. Der KLÖNSCHNACK traf sie bei den Proben in Barmbek.

„Ich habe mich bemüht, kein Zombie zu werden, und hoffe, dass die jungen Leute keine Zombies werden.“
„Ich habe mich bemüht, kein Zombie zu werden, und hoffe, dass die jungen Leute keine Zombies werden.“
Frau Hænning, welche Musik hören Sie, wenn Sie am Morgen aufstehen?

Für mich ist Ruhe eine tolle Musik. Also höre ich am Morgen keine Musik. Es gibt einen Sender, den ich besonders mag, das ist Deutschlandfunk Kultur. Gute Musik, gute Gespräche. Das ist großartig.

Nun stehen Sie seit über 60 Jahren auf der Bühne. Was motiviert Sie, weiter auf der Bühne zu stehen?

Ich kann nichts anderes. Ich kann nicht tippen, kenne mich mit dem Internet nicht gut aus. Ich muss also das machen, was ich kann. Ich mache also das, womit ich mein Leben lang zu tun gehabt habe.

Nun arbeiten Sie für das Musical „Flashdance“ mit ganz vielen jungen Künstlern zusammen. Wie erleben Sie das?

Das ist toll. Das ist vital, anspornend und gesund. Ich bewundere die jungen Leute sehr und liebe die Arbeit mit ihnen.

Eine Sehnsucht nach Jugend entsteht dadurch also nicht?

Ich habe mich bemüht, kein Zombie zu werden, und hoffe, dass die jungen Leute auch keine Zombies werden. Wir als Erwachsene wissen im Übrigen nicht, was die jungen Leute wollen. Wenn sie etwas wollen, gebe ich ihnen etwas aus meinem Leben mit. Ich ermuntere junge Menschen also, ihre Zeit zu nutzen.

Wie leicht oder schwer ist es Ihnen gefallen, bei diesem Musical mitzumachen?

Ich habe Lust darauf. Und Lust ist eine großartige Triebkraft. Wobei das Deutsche nach wie vor für mich schwer ist. Ich bin Ausländerin, es ist nicht meine Sprache. Auch wenn ich länger in Deutschland als in Dänemark lebe. So sind die Artikel der, die, das nach wie vor schwer für mich. Es ist schwierig auf der Bühne frei zu sprechen, das ist ganz anders, als hier mit Ihnen zu sitzen.

Sie müssen also nach wie vor lernen …

Das ist mein Problem, ich kann nicht lernen (lacht). Man kann aber versuchen zu lernen, es ausprobieren. Wenn es nicht geht, dann geht es nicht.

Bäckerei Hartmut Körner e.K.

Wie reagieren Sie, wenn sich eine Rolle nur schwer erschließt?

Schauen wir mal. Das muss man nicht unbedingt verraten. Ich berufe mich auf Shakespeare, weil er ein Mann des Volkes war und sich von der Comedia dell’arte inspirieren ließ. Für mich gilt sein Satz: „The stage is the world. The world is a stage“. Das finde ich interessant, denn auf der Bühne spiegeln wir die Welt wider. So ist auch ein Theaterbesuch für mich ein Erlebnis, bei dem ich wieder zum Kind werde. Ich möchte ein Erlebnis haben. Ich habe einige Seminare besucht, um zu begreifen, was die Zuschauer erwarten. Sie brauchen für eine kurze Zeit ein Erlebnis, das sie mit nach Hause nehmen könnnen. Viele leben in schlechten Ehen, haben wenig Liebe und Sex oder Probleme im Job. Für diese Menschen sind wir als Künstler da. Auch wenn es eine Illusion ist.

„Viele haben schlechte Ehen und wenig Sex oder Probleme im Job.“

Wie begegnen Ihnen die jungen Kolleginnen, mit denen Sie täglich zu tun haben – mit Bewunderung, ehrfürchtig?

Alle sind sehr kollegial. Jeder macht sich Gedanken, wie er ankommt. Doch dabei ist die Arbeit sehr unkompliziert und optimistisch. Es ist ein Ja zum Leben.

Was denken Sie, geben Sie Ihren Zuhörern und Zuschauern mit?

Ich rede von einem Prinzip. Theater, Bühne, Musik, Show sind sehr individuell. Ich möchte dabei transformieren, das Publikum so erreichen, dass es durch mich transformieren kann. Das klingt sehr kompliziert und ein wenig esoterisch. Das ist es aber nicht. Das ist das Leben. Was wir als Künstler machen, ist sehr wertvoll. Es ist eine heilende Sache, die den Menschen Kraft gibt. Es gibt ein Riesenpublikum für Schlager, Publikum für Musicals, für Jazz und politisches Kabarett. Die Vielfalt ist groß.

Das Interview wurde in einer ehemaligen Barmbeker Kirche geführt. Dabei wurde trotz unwirtlicher Umgebung und allen Ernstes viel gelacht.
Das Interview wurde in einer ehemaligen Barmbeker Kirche geführt. Dabei wurde trotz unwirtlicher Umgebung und allen Ernstes viel gelacht.
Wie geeignet ist das Musical „Flashdance“, diesem Anspruch gerecht zu werden?

Es ist die Energie. Das junge Mädchen, das in dem Stück zu mir kommt, muss arbeiten, um ihr Ziel zu erreichen. Ich, als ihre Mentorin, habe ihr Talent erkannt, unterstütze sie finanziell, seelisch wie geistig. Da nähere ich mich in der Rolle meinem eigenen Leben und dem Wunsch, dass junge Leute nicht durch die moderen Welt zu Zombies werden.

Stichwort moderne Welt – was sagen Sie zu den vielen Casting-Shows, den vielen jungen Leuten, die davon träumen, auf der Bühne zu stehen?

Dabei geht es vor allem darum, Geld im TV zu verdienen. Die Macher müssen Ideen haben, um ihren Thron zu behalten und Geld zu verdienen.

Warum funktioniert das so gut?

Viele Menschen träumen davon, einmal im Scheinwerferlicht zu stehen. Ein Star wie Prince, die Beatles oder Michael Jackson zu werden. Es wird immer Bewunderte und Bewunderer geben.

Wen bewundern Sie denn?

Ich bewundere viele. Miles Davis, Ray Charles, Tina Turner und viele andere.

Sie standen mit acht Jahren bereits auf der Bühne. Wesentlichen Anteil daran hatte Ihr Vater. Wie hat sich Ihre Sicht auf die Familie im Laufe der Jahrzehnte verändert?

Ich komme aus einer besonderen Familie. Alle waren individuell und hatten verschiedene, tolle, couragierte Persönlichkeiten. Bei meiner Arbeit hier denke ich ganz fest an meine Mutter und meine Schwester. Ich werde beide an jedem Abend mit auf der Bühne bei mir tragen. Denn sie waren besondere Menschen, die, so glaube ich, in sich das Bedürfnis hatten, das ich auf der Bühne ausdrücken darf.

„Ich denke ganz fest an meine Mutter und Schwester.“

In „Flashdance“ spielen Sie die Rolle der Mentorin der jungen Künstlerin Alex. Hatten Sie als Künstlerin ebenfalls eine Mentorin?

Ich hatte schon als junger Mensch unglaublich großartige Begegnungen. Ich durfte mit Menschen arbeiten, die man sich nur wünschen kann. Mein Vater war sehr autoritär, meine Mutter hat eine sensiblere Variante als Gesangslehrer gesucht und gefunden. Dieser Lehrer hat mich aufgebaut, vielleicht hat er mich gerettet.

In einem Ihrer Interviews sprechen Sie von einer „alten Liebe“ hier in Hamburg. Wen oder was meinten Sie damit?

Ich habe hier in Hamburg meine allerbesten und langjährigsten Freunde, ein Ehepaar – das übrigens göttlich kocht.

Sie haben sich auch einmal als „zickig“ bezeichnet.

Als Kinderstar war ich zu tüchtig. Da kann es passieren, dass man zickig wird. Doch das konnte ich korrigieren, weil ich darauf aufmerksam gemacht wurde.

Was halten Sie vom Bühnengeschehen in Deutschland?

Ich bin nicht begeistert vom Regietheater. Das bleibt dann schnell wie in der Schule. Das langweilt mich oft.


Frau Hænning, der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.
Gespräch: Helmut Schwalbach und Louisa Heyder

www.kloenschnack.de

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