1. April 2016
Magazin

„Die Küche, das Herz der Familie …“

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INTERVIEW DES MONATS  

„Die Küche, das Herz der Familie …“

Sagen Sie mal …
… Ali Güngörmüs, Sternekoch

Noch nie wurden die Themen Kochen und Gastronomie so intensiv diskutiert wie zurzeit. Dabei scheint alles ganz einfach. Warum, sagt der Sternekoch im Gespräch mit dem KLÖNSCHNACK.

„Immer frisch einkaufen. Immer das Beste einkaufen.“
„Immer frisch einkaufen. Immer das Beste einkaufen.“
Warum ist das Thema Kochen immer noch so aktuell, gerade auch im Fernsehen?

Kochen ist nicht nur Nahrungsaufnahme. Kochen im Fernsehen ist auch Unterhaltung geworden. Meist sind Prominente dabei, es gibt spezielle Effekte und Inszenierungen. Deswegen bleibt der Zuschauer auch vorm Fernseher und interessiert sich fürs Kochen. Es gibt auch gewisse TV-Formate, in denen es kaum noch ums Kochen geht. Andere sind sehr lehrreich und informativ.

Was reizt Sie an Kochshows?

Für mich ist wichtig, dass die Formate, in denen ich auftrete, immer sinnvoll sind und ich als Botschafter der gesunden Küche dahinterstehe. Der Zuschauer soll animiert werden, sich gesünder und nachhaltiger zu ernähren.

Können TV-Sendungen etwas am Kochverhalten verändern? Oder sitzen die Leute zu Hause vorm Fernseher und essen vor dem Bildschirm Pizza aus der Pappe?

Wir können natürlich nicht alle überzeugen. Aber ich denke, dass wir schon eine Menge erreicht haben. Ich merke das auch in meinen Kochkursen. Es werden Fragen gestellt, die früher nie thematisiert wurden, wie etwa die Herkunft der Lebensmittel, Einsatz verschiedener Öle und ähnliches. Auch Ernährungswissenschaften sind viel mehr in den Vordergrund gerückt. Da muss ich mich richtig drauf vorbereiten, bevor ich einen Kurs gebe.

Woher holen Sie Ihr Wissen?

Ich lese viel zum Thema. Ich lebe auch selbst diesen Lebensstil. Da lernt man immer dazu und merkt am eigenen Körper, was einem gut tut.

„Regionalität ist besonders wichtig!“

Haben Sie spontan ein Beispiel parat?

Anis hilft gegen Muskelverspannungen.

Welche Fehler werden beim Kochen am häufigsten gemacht?

Der größte Fehler ist, am Produkt zu sparen. Das ist in Deutschland weit verbreitet. In der Türkei wurde bei uns in der Familie immer frisch gekocht. Im Süden ist die Küche grundsätzlich das Herz der Familie. Dort kommen alle zusammen. Das soziale Miteinander steht deutlich mehr im Vordergrund. Mein Motto ist: Teilen ist das neue Haben. Jeder teilt sein Essen mit dem anderen. Das geht natürlich nicht über Nacht. „Im Le Canard“ überlegen wir gerade, ob es einen Tisch geben soll, an den sich mehrere Leute setzen können, die sich vorher gar nicht kennen. Aber das will noch keiner. Das Sharing ist noch nicht wirklich bei uns angekommen. Der Wandel wird aber kommen.

Gerade in Norddeutschland hat sich das Kochen sehr entwickelt. Woran liegt das?

Ich finde, dass Hamburg sich kulinarisch relativ langsam entwickelt hat. Jetzt ist besonders Regionalität wichtig. Hamburg ist eine tolle, liberale Weltstadt, die nun auch ihre kulinarischen Möglichkeiten nutzt. Auch der Hafen wurde viel zu lange nicht genutzt. Da hat sich in den letzten Jahren doch viel getan. Die Leute genießen das Hamburger Essen. Das finden Sie auf Sterneniveau oder auch darunter kann der Gast immer anständig essen. Die Gastronomie ist wirklich gut. In ganz Deutschland ist noch nie so gut gekocht worden, wie zurzeit. Du kannst in jeder Stadt Regionales verhältnismäßig günstig essen. In Paris habe ich in einem kleinen Bistro mehr gezahlt, als in meinem eigenen Restaurant.

Ein Problem ist jedoch, dass Deutschland kein Trendsetter in der Gastronomie ist. Wir können nur Trends hinterherlaufen.

Wer sind denn die Trendsetter?

Das kann ich so nicht genau sagen. Für mich gibt es nicht das perfekte Essen oder das perfekte Restaurant. Essen ist immer eine Momentsache, die Tagesform abhängig ist und vom jeweiligen Geschmack abhängt. Das spielen viele Aspekten rein.

Bäcker Körner
Welche großen Essen sind Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Da gibt es ständig welche. Ein gutes Essen werden Sie ein Leben lang nicht vergessen. Denkt man 20 Jahre zurück, kann sich eigentlich jeder an einen Moment erinnern, an dem er das an diesem Tag für sich perfekte Essen gespeist hat. Das wirst du nie vergessen. Als ich 17 Jahre alt war habe ich mit meiner Familie in Bodrum in der Türkei einen Zackenbarsch gegessen, auf den wir gefühlt zwei Stunden gewartet haben. Zuerst gab es eine Fischsuppe aus dem Fond. Ich habe noch nie eine so tolle Fischsuppe gegessen und werde diesen Geschmack nie wieder vergessen. Damals hat einfach alles gepasst.

Haben Sie auch schon große Enttäuschungen erlebt?

Ja, natürlich. Auch schon in Zwei- oder Drei-Sternerestaurants. Aber auch da kann man nicht verallgemeinern und sagen: Das Restaurant ist schlecht. Der nächste Gast wird das Essen vielleicht als ganz toll empfunden haben. Essen ist immer subjektiv.

Was sind für dich die wichtigsten Dinge beim Kochen? Was gibst du da in deinen Kursen mit?

Immer frisch einkaufen. Immer versuchen, das Beste einzukaufen. Nachdenken, woher das Fleisch und der Fisch kommen. Einfach nachhaltig denken und nicht egoistisch handeln. Meine Kinder sollen später auch so essen können, wie wir heute.

Gibt es unter diesem Aspekt Dinge, die Sie nie zubereiten würden?

Wenn ich weiß, dass das Tier vorher unnötig gelitten hat oder das Produkt nicht meiner Philosophie entspricht, dann kaufe ich es auch nicht. Ich bin ein Produktfanatiker und achte sehr darauf. Das sollte auch der Gast sein. Ich möchte ein Essen haben, das frisch und echt schmeckt. Der Gast soll das sehen, riechen und schmecken. Froschschenkel, Schlange, Krokodil und Insekten würde ich nicht anbieten, weil mir das einfach zu exotisch ist. Vielleicht bin ich da auch zu konservativ.

Wo siehst du die Wurzeln für deinen Erfolg als Restaurantchef, TV-Mann und Kochbuchautor?

Das liegt an meiner türkischen Warmherzigkeit und meiner deutschen Disziplin. Ich bin sehr zielstrebig und vor allem ein leidenschaftlicher Koch. Bei mir ist gut nicht gut genug. Damit setzt man sich zwar unter Druck, aber so kommt man voran.

Geht gerade die Entwicklung in die von Ihnen beschriebene Richtung, dass der Gast das Essen wieder erkennen, riechen und schmecken kann, was er auf dem Teller hat, ohne dass die Produkte mehrmals bearbeitet werden?

Diese Entwicklung hat bereits eingesetzt. Aber die gastronomische Zukunft wird deshalb nicht leichter, da die Ansprüche der Gäste immer steigen. Durch die neuen Arbeitszeitenre gelungen etwa wird es Sternerestaurants geben, die nur mittags oder nur abends geöffnet haben. Auch der Gast wird in Zukunft mit etwas weniger zufrieden sein müssen, in dem Sinne, dass er seine Zigarre nach dem Essen nicht noch bis morgens um zwei im Restaurant genießen kann. Das macht auch das Personal nicht mehr mit.

Wie groß ist das Problem, geeigneten Nachwuchs zu gewinnen?

Das ist ein Riesenproblem. Die Spitzengastronomie hat aber auch Fehler gemacht und das Personal über die Arbeitszeiten hinaus immer weiter arbeiten lassen. Das geht nicht mehr und die Leute wollen dies auch nicht mehr. Das wichtigste ist Flexibilität auf allen Ebenen – vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehend.

Haben viele eine falsche Vorstellung, wenn sie sich als Koch bewerben?

Ja, leider ist die Abbruchrate in der Gastronomie erschreckend hoch. Viele kommen mit dem Druck nicht zurecht. Einige wollen auch nicht mehr Koch, sondern Fernsehkochen werden. So geht das natürlich nicht, man muss seinen Beruf vorher schon richtig lernen. Und Kochen kann man nur mit Liebe und Leidenschaft.

Zum Schluss verraten Sie uns Ihr Lieblingsgericht?

Ich esse am liebsten einfache Gerichte. Ein ganzes Biohuhn aus dem Ofen mit Bratkartoffeln reicht mir vollkommen.

Herr Güngörmüs, der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.lecanard-hamburg.de

Edeka

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