1. September 2016
Magazin

„Die andere Seite der Welt sehen“ 

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INTERVIEW DES MONATS 

„Die andere Seite der Welt sehen“ 

Sagen Sie mal …
… Michael Athmer, Weltenbummler

2012 ist der pensionierte Elektronikhändler Michael Athmer auf seiner Segelyacht „Sinus“ in See gestochen. Seitdem reist der Blankeneser um die Welt. Während einer kurzen Pause besuchte Michael Athmer die KLÖNSCHNACK-Redaktion.

„Ich habe 45 Jahre lang gearbeitet und wenig Urlaub gemacht ...“
„Ich habe 45 Jahre lang gearbeitet und wenig Urlaub gemacht …“
Herr Athmer, was sagt eigentlich Ihre Frau?

Ich hatte meiner Frau zu Anfang meiner
Reise versprochen, dass ich im Juli 2017 zurück bin.

Großzügig! War sie begeistert?

Zuerst gab es Frust. Aber später ging es. Ganz zu Anfang haben wir auch mal über drei Jahre gesprochen, aber das ist einfach zu wenig Zeit. Das wäre nur ein Abhaken der Route. Dann erlebt man nichts.

Die längste Trennung zwischen ihnen dauerte bisher eineinhalb Jahre – wie kommunizieren Sie während einer solch langen Zeit?

Ich habe Kurzwelle an Bord. Über die kann ich eine Art E-Mail schreiben. Darüber kommunizieren wir jeden Tag. Das funktioniert gut. Das ist auch wichtig.

Jetzt liegt die „Sinus“ in Surinam und Sie sind für einige Tage hier …

Das ist ein Überraschungsbesuch, weil meine Frau Geburtstag hatte. Ich hatte keinem erzählt, das ich komme und stand dann einfach vor der Tür. Zuletzt war ich Weihnachten zu Hause.

Und die Behörden, die Sozialversicherung, was sagen die zu Athmer on tour?

Die habe ich gar nicht gefragt. Wer viel fragt, kriegt dumme Antworten.

Auf Ihrem Blog www.sy-sinus.de steht als Abfahrtsdatum 2012. Gab es damals eine Art Auslöser.

Nein, aber ich hatte das Fernsehgeschäft in Blankenese und habe im Grunde 45 Jahre lang gearbeitet und wenig Urlaub gemacht. Da habe ich mir gesagt: Jetzt willst du raus, willst das erleben, was die anderen erlebt haben. Ich wollte auch mal auf die andere Seite der Welt kommen.

Wollten Sie möglichst viele Länder sehen oder geht es um die langen Segelstrecken?

Mich interessieren viel mehr die Menschen in den Ländern. Deshalb bin ich auch größtenteils alleine unterwegs, weil man als Einhandsegler viel mehr Kontakte zu den local people bekommt.

„Mich interessieren viel mehr die Menschen als die Länder“

Sind Sie an einem Ort dann länger geblieben?

Das ist unterschiedlich. Ich bin relativ wenig in Marinas. Ich bevorzuge es eher, in Buchten zu gehen und in kleine Dörfer. Marinas kosten ja auch Geld; die laufe ich nur an, um Proviant aufzunehmen und Reparaturen zu machen.

Gab es für Ihre Route Anhaltspunkte oder Vorbilder?

Ja, Sönke Roever. Er war 2009 unterwegs und seine Reise habe ich sehr intensiv mitverfolgt. Er hat auf Messen auch sogenannte Blauwasser-Seminare gegeben. Diese Seminare behandeln das Segeln im Süden; dort erscheint das Wasser blau. Ich hatte ja auch keine Erfahrung, wie man Lebensmittel für längere Zeit lagert, was man kaufen muss, welche Medikamente. Wie sieht es mit dem Energiemanagement aus? Was brauche ich an Elektrizität? Welche Navigationsmittel? Das ging alles in die Vorbereitungsphase mit rein. Da konnte ich die Erfahrung der anderen nutzen.

Bäckerei Hartmut Körner e.K.
Wer finanziert diese Reise? Hatten Sie gespart?

Das Schiff habe ich schon seit 1989 und die Lebenshaltungskosten sind nicht teurer, als hier zu Hause. Es ist auch immer die Frage, was für einen Lebensstandard man sich da unten setzt. Das Meiste frisst nach wie vor das Boot. Mein eigener Lebensunterhalt ist minimal.

Gab es auf Ihrer bisherigen Reise eine Station, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Die Solomon Islands und Papua-Neuguinea. Die Welt ist dort noch sehr ursprünglich und unverdorben. Dort gibt es unheimlich freundliche Leute.

Und das Gegenteil? Wo wollten Sie schnell wieder weg?

Brasilien. Dort habe ich nicht den Kontakt gekriegt. Das hängt auch damit zusammen, dass die Brasilianer im Küstenbereich sehr sozialisiert und industrialisiert sind. Sie sprechen nur Portugiesisch und kein Englisch. Sie können auch nicht richtig zwischen den Zeilen lesen. Wenn Sie irgendwo anders hinkommen und haben Sprachprobleme, dann ist das wichtig. Im Süden soll es anders sein, aber die Region habe ich wegen der Olympiade ausgespart. Das hätte mich auch zwei Monate zusätzlich gekostet.

Ist so eine Reise für einen Mann über 60 nicht sehr anstrengend? Oder eher eine Erholung?

Beides. Stress kann ja auch Erholung sein. Was man bei dem Ganzen lernt, ist eine unheimliche Gelassenheit. Man wird viel ruhiger. 

Michael Athmer in voller Fahrt auf der ARC-Regatta 2013
Michael Athmer in voller Fahrt auf der ARC-Regatta 2013
Was lernt man noch?

Bevor ich losgesegelt bin, konnte ich nicht kochen. Ich bin auch heute noch kein Koch, ich bin immer noch in der Experimentierphase. Ich kann jetzt aber Essen machen, nur nicht zweimal. Es schmeckt jedes Mal anders.

Wie ist es mit Sprachen?

Ich kann neben Deutsch nur ein bisschen Englisch, habe aber gelernt, mit allen Leuten zu kommunizieren. Das ist so ähnlich wie bei Kindern aus unterschiedlichen Nationalitäten. Nach einer Viertelstunde spielen die zusammen, nach einer halben Stunde unterhalten sie sich flüssig. So ähnlich geht mir das auch. Zu Anfang fühlt man sich wie die Montagsmaler, man nimmt einen Stock und malt Begriffe in die Erde oder auf ein Blatt Papier.

Ich hätte Sie ja gerne gefragt, ob Sie mit einer Art Mission unterwegs sind, aber es scheint nicht so …

Nein, ich bin kein Typ, der irgendwas beweisen will. Für mich ist es die Erfahrung. Wenn man ein Ziel hat, kann man das auch durchziehen. Man muss nur auch den Ehrgeiz haben, es auch zu machen. Es gibt so viele Leute, die eine Weltumsegelung planen, und nur 20 Prozent ziehen es wirklich durch. Zuerst wollte ich auch oben über die Nord-West-Passage. Das habe ich dann auf dem ersten Drittel aufgegeben, weil ich festgestellt habe, dass mein Schiff dafür nicht gebaut ist. Da muss man die Realität erkennen und sagen: Das geht oder das geht nicht.

Können andere aus dem, was Sie tun, etwas lernen?

Unheimlich viel. Ich würde heute jedem, der Interesse daran hat, sagen: Mach’ es! Es ist unheimlich einfach.

Einfach?

Ich habe großen Respekt vor den Seglern, die das vor 20 oder 30 Jahren gemacht haben, denn da gab es die ganze Elektronik noch nicht. Die Navigation ist heute so einfach. Es gibt GPS, die Sicherheit mit AIS, viele haben noch Radar.

Können Sie mit einem Sextanten umgehen?

Ja. Es ist wichtig, dass ein gewisses Verständnis für die ursprüngliche Navigation vorhanden ist. Ich mache auch doppelte Navigation, logge immer auf Papierkarten mit. Mir sind jetzt schon drei Computer auf dem Schiff kaputtgegangen durch die hohe Luftfeuchtigkeit. Ich bin von den Cookinseln nach Neuseeland runter ohne Kartenmaterial. Da hatte ich nur eine Art Übersegler – eine sehr grobe Seekarte. Da haben mir andere Segler per Funk geholfen …

„Beruflich will ich mich wieder einbringen“

Glauben Sie, dass Ihnen die Rückkehr schwerfallen wird?

Der Eintritt wird mir leichtfallen, das ist nicht so fern. Was mir schwerfallen wird, ist die Tatsache, wieder gebunden zu sein. Ich habe vor, mir ein Motorboot zu kaufen, wenn ich zurückkomme. Dann möchte ich mit meiner Frau in die Kanäle fahren – Müritz, Berlin. Ich habe auch Hobbys außerhalb des Segelns. Auch beruflich will ich mich wieder einbringen, bei der Handwerkskammer als Berater für Jungunternehmer und Firmen, die finanzielle Probleme haben. Da würde ich dann als ehrenamtlicher Betriebsberater einsteigen. Das macht Spaß.

Was ist dran an der Weisheit, dass es zu Hause am schönsten sei?

Da ist ein bisschen was dran.

Herr Athmer, vielen Dank für das Gespräch und noch eine gute Reise.


Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de

www.sy-sinus.de

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