2. Mai 2016
Magazin

„Shoppen ist wie sich verlieben“

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„Shoppen ist wie sich verlieben“

Experte Dr. Michael Thiel

Gönn’ dir was! Ein schicker neuer Pullover, ein teures Smartphone oder eine Massage. Der Frühling weckt die Lebensgeister und die Kauflaune. Aber was passiert bei uns im Körper, wenn wir shoppen gehen – macht Konsum glücklich? Psychologe Michael Thiel steht Rede und Antwort.
Warum fühle ich mich gut, wenn ich mir eine neue Handtasche kaufe?

Wir fühlen uns gut, wenn wir uns etwas erlauben oder etwas passiert, was wir nicht erwartet hätten. Beim Kauf von etwas Neuem reagiert im Gehirn unser Glückszentrum. Sich etwas gönnen, fühlt sich körperlich für uns an, wie sich frisch zu verlieben. Zudem brechen wir aus dem Alltagstrott aus, wenn wir uns etwas gönnen. Wir lernen damit ein Wohlgefühl zu verbinden und wollen dieses immer wieder spüren. Aber Achtung: Das Gefühl ebbt schnell wieder ab – das Verlangen nach mehr wird schnell größer.

Wo es früher „schneller, höher, weiter“ hieß, bauen die Menschen heute auf Entschleunigung. Woran liegt das?

Ich bin da nicht ganz so optimistisch. Es sollte mehr um Genussmomente gehen, nicht um Masse. Ständiger Konsum macht letztlich nicht glücklich. Wichtiger sind Gesundheit, Zeit und natürlich Liebe.

Sich etwas gönnen bedeutet auch, sich Freizeit zu nehmen. Doch packen wir uns diese oft so voll, dass statt Entspannung Stress entsteht. Was können wir dagegen tun?

Es ist gesund, einen Wechsel zwischen An- und Entspannung zu schaffen. Nach einem langen Arbeitstag ist der Wechsel zu etwas ganz anderem, wie einem gemütlichen Spaziergang oder einem lustigen Telefonat mit einem Freund, sehr wichtig. Aufgepasst: Wer das Gefühl hat, gegen Windmühlen anzuarbeiten, läuft Gefahr, an einem Burn-out zu erkranken. Also Pausen einbauen!

Einkaufen und dabei die Welt verbessern – fühlt sich doppelt gut an!

Mancher Einzelhändler in den Elbvororten klagt über ausbleibende Kundschaft. Hier wird oft das Internet als große Konkurrenz beklagt. Macht es den Menschen mehr Spaß online zu shoppen, als sich in einem Geschäft kompetent beraten zu lassen?

Ich fürchte, viele Menschen fahren zweigleisig: also lassen sich im Fachhandel beraten und kaufen dann aber im Internet ein. Sie denken leider nicht an den Einzelhändler und dessen Existenz.

Früher war das Einkaufsverhalten, beispielsweise von Frauen, auch anders. Sie trafen sich zum Bummeln oder gingen mit ihrem Partner shoppen. Das ist heute anders. Viele erledigen ihre Einkäufe lieber gemütlich von zu Hause.

Einzigartigkeit und Alleinstellung – alle wollen besonders sein. Woher rührt dieser Wunsch?

Jeder hat das grundsätzliche Bedürfnis anders zu sein. Es streichelt das Selbstwertgefühl. Es geht darum, aufzufallen und Lob zu erhalten. Andy Warhol sagte nicht umsonst: „In der Zukunft wird jeder für 15 Minuten weltberühmt sein.“ Jeder strebt eben nach Anerkennung.

Thema Nachhaltigkeit: Warum fühlen wir uns gut, wenn wir mit Blick auf unsere Ressourcen Shoppen gehen?

Ich begrüße den bewussten Lebensstil. Wenn ich die Möglichkeit habe, ökologisch und/oder politisch korrekt einzukaufen, habe ich beim Konsum doppelten Genuss: Ich kaufe mit einem guten Gewissen und gebe ein Statement ab. Ich kaufe bewusst ein und will mit meinen Mitteln zu einer besseren Welt beitragen.

Aristoteles schrieb: „Glück ist das höchste Gut“ – aber was ist Glück eigentlich?

Das „Nucleus accumbens“, also das Glückszentrum im Gehirn, springt an, wenn etwas im Leben passiert, das besser ist als erwartet. Dopamin wird ausgestoßen und der Körper speichert die Reaktion auf dieses positive Erlebnis. Das Doofe ist nur, die Glückshormone halten nicht lange an und verschwinden wieder. Das bedeutet, man muss immer etwas tun, um diesen Glücksmechanismus wieder zu erlangen. Dauerhaftes Glück ist von der Natur einfach nicht vorgesehen.

Kann ich mir Glück erarbeiten?

Ja, wer lange auf etwas hinarbeitet und sich dann einen lang gehegten Wunsch erfüllt, erfährt intensives und länger anhaltendes Glück. Anders als Menschen, die sich kurzzeitiges Glück durch schnellen Konsum erkaufen. So haben Zwillingsstudien ergeben, dass eineiige Zwillinge, die getrennt voneinander aufwuchsen, dieselbe Lebenszufriedenheit zeigten. Daraus folgerten die Forscher, dass das subjektive Glücksempfinden vielleicht sogar vererbbar sei.

Der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.

Der Hamburger Psychologe Michael Thiel erklärt, was Glück ist.

Fragen: anna-lena.walter(at)kloenschnack.de 

www.psychologethiel.de

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