2. Juli 2018
Magazin

„Ein impulsiver junger Mann“

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BEMERKENSWERTES 

Aus dem Amtsgericht 
„Ein impulsiver junger Mann“

FOTO: ©STAUKE-FOTOLIA.COM
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Es gibt Angeklagte, deren Erscheinung schon ahnen lässt, wie der Fall ausgeht. Zu ihnen gehört Kai Winner*. Auf dem kahlgeschorenen Kopf sitzt eine Sonnenbrille, die Winner auch vor dem Richter erst nach Aufforderung abnimmt. Die schwarze Jacke mit eingesetzten Lederärmeln macht einen martialischen Eindruck, so wie der gesamte Auftritt Winners. In einem Pflegeheim arbeite er als Teilzeitkraft und „Mädchen für alles“, so der Angeklagte mit leiser, im Zuschauerraum kaum vernehmbarer Stimme.

Kein Beruf, ledig, kein Kind – ein Leben offenbar ohne besondere Erlebnisse. Wenn man mal von den Vorstrafen absieht. So lässt bereits der Auftritt ahnen, dass die Anklage nicht so ganz falsch sein kann.

Vorgeworfen werden dem 35-jährigen Mann Körperverletzung und Sachbeschädigung. Die Tat ist so überflüssig wie andere Misse – taten Winners. Dabei ging es immer wieder um Sachbeschädigung, Beleidigung und Körperverletzung.

So wie im Dezember 2017. Als ihm eine Autofahrerin auf der Straße Bullnwisch begegnet, schlägt er die Scheibe des Autos ein, weil die Fahrerin seiner Meinung nach zu schnell unterwegs war. „Ich war mit meinem Hund unterwegs. Da kann man nicht ungebremst an jemandem vorbeifahren. Das gehört sich nicht“, so der Angeklagte.

„Man kann nicht ungebremst an jemandem vorbeifahren.“

Das Opfer, eine 70-jährige Rentnerin, erinnert sich an den Vorfall ganz anders. Sie sei Tempo 30 gefahren, habe den Mann und seinen unangeleinten Hund gesehen, deshalb noch langsamer gefahren. „Da schlug der Mann mit dem linken Arm in die Scheibe der Fahrertür. Dabei hat er mich beschimpft.“ Als wenig später die von einem Landwirt verständigte Polizei kam, protokollierte sie Kratzer im Gesicht der alten Dame. Zwischenzeitlich wird der Richter ein zweites Mal pädagogisch aktiv. Eine Zuhörerin bittet er: „Können Sie darauf verzichten, im Gerichtssaal zu trinken?“ Artig stellt die Zurechtgewiesene ihren Thermobecher zur Seite. Eine kaputte Brille, eine zerborstene Autoscheibe, ein blutiger Pullover – so das Ergebnis einer Begegnung von Fußgänger mit Hund und Autofahrerin am Bullnwisch.

„Sie sind grundsätzlich wütend auf Autofahrer“, so der Anklagevertreter in seinem Plädoyer. In ihm fordert er eine fünfmonatige Bewährungsstrafe.

Der Verteidiger relativiert die Tat. Es läge kein Vorsatz vor. Eine Geldstrafe sei ausreichend. In seinem „letzten Wort“ bestätigt Winner den eingangs gemachten Eindruck. Mehrmals wendet er sich an das Opfer, um seine Sicht der Dinge zu wiederholen. Das schadet mehr, als es nutzt. Der Richter verurteilt den jungen Mann zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro. Sein Eindruck: „Sie sind ein impulsiver junger Mann, der nicht immer gesteuert handelt.“ HS

*Namen geändert

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