1. September 2015
Magazin

„Abgestumpft und desinteressiert“

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BEMERKENSWERTES 

„Abgestumpft und desinteressiert“  

Aus dem Amtsgericht  

Einige Gewohnheitstäter bekommen das Strafgesetzbuch häugig zu sehen. FOTO: ©STAUKE-FOTOLIA.COM
Einige Gewohnheitstäter bekommen das Strafgesetzbuch häugig zu sehen. FOTO: ©STAUKE-FOTOLIA.COM
So groß wie die Zahl der erfassten Fahrraddiebstähle, so gering ist die Aufklärungsquote. Die liegt bei diesem eher harmlosen, gleichwohl ärgerlichen Delikt in Hamburg bei unter fünf Prozent. Entsprechend selten landet ein Fall von Fahrraddiebstahl vor dem Amtsgericht. Warum das in diesem Fall so ist, ahnt der Zuhörer, als der Angeklagte Ayser Hadji* in Handfesseln von zwei Justizvollzugsbeamten in den Saal geführt wird. Dolmetscher, Verteidigerin, Staatsanwältin, Protokollführer, Richter – viel Aufwand mit damit verbundenen hohen Kosten für einen Fahrraddieb, so der erste Gedanke.
Wenig später folgt die Erklärung für das personelle Aufgebot. Der aus Marokko stammende Asylbewerber musste schon häufiger in Gerichten erscheinen. Der Richter weiß von 13 Eintragungen im Zentralregister. „Es müssten 14 sein“, korrigiert Hadjis Verteidigerin. Neben schwerem räuberischen Diebstahl, einfachen Eigentumsdelikten und Beleidigung musste sich der bis zu seiner Festnahme in der Asylunterkunft Sieversstücken lebende Marokkaner auch wegen Drogenhandels verantworten. So lernte der Mann aus Casablanca bereits Gerichte in Kassel, Altona und St. Georg kennen.
Im vorliegenden Fall des Fahrraddiebstahls ist Leugnen zwecklos. Zeugen beobachteten, wie Hadji zusammen mit einem Komplizen ein Fahrrad von einem am Sülldorfer Kirchenweg gelegenen Grundstück entwendete. Die Zeugen hatten die beiden Diebe schon vorher wegen ihres „auffälliges Verhaltens“ bemerkt. Während einer das nicht gesicherte Fahrrad vom Grundsstück schob, habe sich der andere „sichernd umgeschaut“. Die wenig später alarmierte Polizei konnte beide Männer auf der Flucht festnehmen. So landete Hadji wieder im Gefängnis. Dorthin wird er von seinen Bewachern nach dem Urteil auch wieder gefahren. Die von der Verteidigerin vorgebrachten Gründe für ein mildes Urteil scheitern beim Richter grandios. Ihr Mandant nehme Tabletten, Drogen und Alkohol zu sich. Außerdem habe man eine psychische Erkrankung festgestellt. In Berlin, so die Verteidigerin weiter, warte ein Therapieplatz auf Hadji.
So wenig wie der Richter lässt sich die Staatsanwältin von den Argumenten der Verteidigerin beeindrucken. „Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Enthemmung des Angeklagten.“ Nur drei Monate nach seiner Haftentlassung habe Hadji bereits wieder „gewohnheitsmäßig gehandelt“. Die Anklagevertreterin beantragt acht Monate Freiheitsstrafe. Naturgemäß plädiert die Verteidigerin für eine „deutlich geringere“ Strafe. Die fällt um einen Monat höher aus als von der Staatsanwältin beantragt. In seiner Urteilsbegründung lässt der Richter keinen Zweifel daran, was er von Hadji hält. „Sie haben das Verfahren abgestumpft und desinteressiert verfolgt. Sie traktieren die Bundesrepublik mit Straftaten.“ HS
*Name geändert

KUNSTFrauenFreiluftGalerie präsentiert neues Werk

Das neue Wandgemälde „Frauen in der Fischverarbeitung und am Fischmarkt“ (Große Elbstraße 268) wurde im August feierlich enthüllt
Das neue Wandgemälde „Frauen in der Fischverarbeitung und am Fischmarkt“ (Große Elbstraße 268) wurde im August feierlich enthüllt
Stadt- und industriegeschichtlich interessante Gebäude sind Bild-Träger der momentan elf Wandgemälde der Kunstprojekte der FrauenFreiluftGalerie an der Großen Elbstraße.

Internationale Künstlerinnen aus Hamburg, Argentinien, New York und London machen den Wandel der Frauenarbeit im Hafen sichtbar – von 1900 bis heute.

Längs der Großen Elbstraße, vom Fischmarkt bis Neumühlen, entstand in den letzten 21 Jahren auf zwei Kilometern die FrauenFreiluftGalerie.

Republikweit einzigartig, legt sie eine Spur des Erinnerns und Sichtbarwerdens, in einer Transformationslandschaft mit einst hafenindustriell geprägter Arbeitswelt, zum Ort heutigen Freizeit- und Dienstleistungsgewerbes.

Die Gemälde thematisieren Arbeitsbedingung, Migration, Gleichstellungspolitiken am Arbeitsplatz oder Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg.

Elisabeth von Dücker mit Hildegund Schuster
Elisabeth von Dücker mit Hildegund Schuster
Erinnerungspolitisch und künstlerisch markieren sie diesen Stadtraum als Nach-Denk-Ort. Ein Gelände mit stadthistorischen Spuren. Denn bereits vor 25 Jahren gab es hier ein Vorgänger-Projekt: das 1.000 Quadratmeter große Gemälde am Fischmarktspeicher. Als Beitrag zum 800. Hafengeburtstag 1989 repräsentierte es 100 Jahre Frauenarbeit im Hafen: ein partizipatives und frauenpolitisches Projekt des Museums der Arbeit (1994 überbaut).

Leiterinnen der Galerie sind Kunsthistorikerin Dr. Elisabeth von Dücker und die Wandmalerin Hildegund Schuster. Sie leiten das autonome Projekt, das sich aus Spenden finanziert.

Ende August präsentiert die Galerie ein neues Wandgemälde von Hildegund Schuster und Cecilia Herrero – Frauen in der Fischverarbeitung und am Fischmarkt. Am 28. August feierte die Galerie mit einer Vernissage die Enthüllung des Gemäldes. 

Große Elbstraße 268 

eHventS GmbH

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