1. August 2017
Magazin

THEMA: Wohin mit der Parole?

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TIMS THESEN 

THEMA: Wohin mit der Parole?

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse
An einer Pinnwand nahe den Redaktionsräumen hängt ein Zettel. Darauf ist die Silhouette Donald Trumps zu sehen und darunter der Spruch: „Make Werbung Great Again – Nein zu sexistischer Werbung!“ Ich habe natürlich spontan applaudiert. Die sexistische Werbung im KLÖNSCHNACK ist ein Riesenproblem. All diese leicht bekleideten Frauen, die sich, bedrängt von chauvinistischen Sprüchen, zwischen Leserbriefen und „Hausbesuch“ tummeln, vergällen uns hier jede Minute.

Ironie aus: Ich arbeite hier seit ca. 1875 und kann mich an keine einzige sexistische Werbung erinnern, weder im redaktionellen Teil noch in den Anzeigen. Ein einziges Mal hatten wir eine hübsche Frau im Bikini auf dem Titel (woraufhin drei Hagestolze ihr Abo kündigten, was für Heiterkeit sorgte). Auch Chauvinismus kommt nicht vor (ausgenommen das good ol’ boys-Redaktionstagebuch, aber das würde ich wirklich nicht als „Werbung“ bezeichnen!).

Sonderbar platzierte Slogans begegnen mir in letzter Zeit oft oder ich bemerke sie häufiger. So prangen in den bürgerlichen Wohnstraßen des östlichen Eimsbüttels Sticker: NAZIS RAUS! und FASCHISTISCHE STRUKTUREN ZERSCHLAGEN! Nennt mich blind, aber in den 20 Jahren, in denen ich da wohne, habe ich genau zwei Skinheads gesehen. NPD, AFD etc. rangieren in dem Viertel knapp über der Nachweisgrenze, aber dennoch werden die Nachbarn aufgefordert: NAZIS RAUS!

Oder nehmen wir politische Gefangene. Auf der Roten Flora steht schon seit Jahren FREE ABU-JAMAL! Leider aber wohnt der Typ, der den Schlüssel zu Jamals Zelle hat, nicht am Schulterblatt.

Aufschlussreich auch die Beobachtung während G20. Ich wollte an jenem grässlichen Samstag zur Zentralbibliothek, stieg Hauptbahnhof aus und schlüpfte zwischen Räumpanzern hindurch in Richtung Hühnerposten. Das Karree aus Steintorwall, Steintordamm und Altmannbrücke war frei von Passanten, frei von Autos und Touristen, frei von Öffentlichkeit. Aber dann schob sich ein Demonstrationszug von West nach Ost, etwa 200 Leute, die etwas Kompliziertes skandierten, um auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen in … Tibet? Kaschmir? Die Parole war angesichts der Szenerie von grotesker Beliebigkeit und niemand hörte sie. Dennoch rote Köpfe, blaue Schlagadern, Lautstärke. Wie kommt es, dass politische Slogans und Parolen auf so bizarre Weise in die Welt geschmissen werden, ohne Rücksicht auf Anlass und Adressat?

These hierzu: Wir tun es für unser Ego, für die Nachbarn und aus Bequemlichkeit. Dem Demonstrant geht es häufig nicht um Wirkung, sondern um das angenehme Gefühl, etwas Radikales zu tun. Und wer FREE W-LAN! auf den Bismarckstein sprüht, der lässt die Petersens ringsum wissen: „Ich kann auch anders!“

Wenn gerade Zeit ist und man dazu nicht Bahn fahren muss …

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