31. März 2017
Magazin

Wer schreibt, der bleibt … 

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Wer schreibt, der bleibt … 

Von der Kunst, einen Brief zu schreiben  

Lieber Frederic, heute nehme ich mir Zeit, dir zu schreiben. Lange habe ich es vor mir her geschoben. Ich sah praktisch die Kalenderblätter von der Wand segeln, während eine Jahreszeit die nächste jagte. Als wir Kinder waren, tickte die Zeit langsamer. In meinen Geadnken, wenn ich zur Ruhe komme, bist du aber so nah bei mir, als wenn wir gestern zuletzt lachten. Ein Jahr kann also kurz und doch eine Ewigkeit lang sein. Damit mir nicht die Sprache wegbleibt, schreibe ich dir, was ich fühle … FOTO: JOCHEN SCHÖNFELD_FOTOLIA.COM  
Lieber Frederic, heute nehme ich mir Zeit, dir zu schreiben. Lange habe ich es vor mir her geschoben. Ich sah praktisch die Kalenderblätter von der Wand segeln, während eine Jahreszeit die nächste jagte. Als wir Kinder waren, tickte die Zeit langsamer. In meinen Geadnken, wenn ich zur Ruhe komme, bist du aber so nah bei mir, als wenn wir gestern zuletzt lachten. Ein Jahr kann also kurz und doch eine Ewigkeit lang sein. Damit mir nicht die Sprache wegbleibt, schreibe ich dir, was ich fühle … FOTO: JOCHEN SCHÖNFELD_FOTOLIA.COM  
… in der Erinnerung beim Adressaten. Die Rede ist vom Schreiben per Hand. Ist sowas überhaupt noch üblich? Wo doch SMS und E-Mail, WhatsApp sowieso diese Form der persönlichen Komunikation nahezu abgelöst haben.

Man muss sicherlich nicht zurück – gehen bis in jene Zeiten, als die Sumerer mit ihren Griffeln in den dafür vorgesehenen Ton sorgfältig Keile getrieben haben. Obwohl manche Schreibschrift daran erinnern mag, weil es längst ungewohnt ist, per Hand zu schreiben. Davon können jene, die nur noch am PC sitzen, ein Lied singen. Ihre sorgsam entwickelte Handschrift ist, trotz schulischer Übung im Fach „Schönschrift“, längst nicht mehr das, was sie einmal war.

Irgendwann fing es ja an mit der schriftlichen Konversation. Die Keilschrift diente vornehmlich der Übermittlung einfacher Botschaften, nachdem das Trommeln nicht mehr up-to-date war.

Emotionale Feinheiten und Empathie konnten dabei kaum Berücksichtigung finden. Die Hieroglyphen der Ägypter sollen sogar noch älter sein. Die Schriftgelehrten bedienten sich einer Sammlung aus Symbolen, Piktogrammen und Ideogrammen. Als der Mensch dann anfing, Schrift zur Verständigung einzusetzen, gab es kein Halten mehr.

„Je mehr Genie, desto schlechter die Handschrift“

1) Breguet gilt als Inbegriff für feine mechanische Uhren. Mit gleicher Akribie widmet sich die Manufaktur ihren Schreibgeräte-Kollektionen. Da bewegen wir uns deutlich im Segment Luxus-Schreibgeräte. „Classique“ für etwa 2.000 Euro

2) Klassiker & Luxus: Das Meisterstück vom Montblanc. Beliebtes Geschenk zu einem Jubiläum oder dem bestandenen Abitur. Die Edition 2016 ziert eine Gravur der Elbphilharmonie, eine Prägung mit deren Umrissen. Wie ein Bekennntnis. Heureka!! Ein feines Sympol für etwa 900 Euro

3) Ganz „oben im Regal“: Montegrappa, Tintenroller „Tibaldi by Montegrappa“ Modell Pirates aus hochwertigem Edelharz. Applikationen aus massivem Sterling Silber mit dem legendären „Jolly Roger“ in 18 Karat und grinsendem Schädel. Der liegt allerdings bei etw 4.000 Euro

4) Heldenverehrung: Limitierte „Edition Sophia Loren“ von Montegrappa. 925er Sterling Silber. Eine Würdigung der Leinwandikone und ihrer Verdienste um den Film. Den Schaft ziert ein elegantes Blumenmotiv, die Kappe ein roter Halbedelstein. Die Freude ist für etwa 1.350 Euro zu haben 

FOTO: PETER ATKINS_FOTOLIA.COM 
FOTO: PETER ATKINS_FOTOLIA.COM 
Die Kalligrafie wurde bald gepflegt, die sich allerdings mehr auf das Abschreiben bereits verfasster Texte konzentrierte, wenngleich auf kunstvolle Weise. Wer es ganz genau nehmen möchte, darf unterscheiden zwischen arabischer, chinesischer und natürlich japanischer Kalligrafie. Aber wer will das heute noch wissen – Klogschieter mal ausgenommen! Wahre (formale) Kunstwerke entstanden, bei denen es allerdings mehr um stilistisch optimierte formale Inhalte ging. Wann wer sich die ersten Briefe geschrieben hat, wird sich nicht mehr feststellen lassen. Und ganz sicher war es zu der Zeit nicht üblich, sich in der Kunst des Formulierens auszuzeichnen. Subjekt, Prädikat, Objekt. Das war schon schwer genug (ist es übrigens heute auch wieder, spricht man mit Deutschlehrern der Orientierungsklassen). Erst allmählich wurde eine Kommunikationskultur per Brief geschaffen, die sich auch mancher E-Mail-Gestresste sehnlichst zurückwünscht.

Denkt man an Briefwechsel zwischen Thomas und Katja Mann oder die des Paulus an die Korinther, könnte einem ganz schlecht werden ob der eingebremsten Schreibkünste im Täglichen. Den Einkaufszettel, den bekommen die mit gesenktem Kopf und Bildschirmwischen abgelenkten Menschen gerade noch hin. Ein Stoppschild?

JalouCity
Wo? Rumms!

Oder die berühmten Schriftwechsel zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller („Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich kürzer geschrieben“, Johann Wolfgang von Goethe). Beispielsweise. Ja, die hatten das drauf! Irgendwie fallen einem, denkt man an die Kunst, Briefe zu schreiben, nur Menschen ein, die nicht mehr unter uns weilen. Das ist ernüchternd und lässt wenig Raum für Optimismus. Neidisch kann man werden bei und nach der Lektüre der „Buddenbrooks“ von Thomas Mann. War die Lübecker Kaufmannsfamilie so viel sprachgewandter als wir? Oder hat der Dichter sich beim Schreiben ausgelebt? Die Lösung ist, sich in Resignation zu ergeben? Mitnichten! „Wer den Kopf in den Sand steckt, wird früher oder später mit den Zähnen knirschen!“, rufen kompetente Menschen zum Durchhalten auf. Was aber ist die Lösung? Wo doch die Tagespresse schon längst aufgegeben hat, zwischen dass und das zu unterscheiden … 

Einen Moment, einen Gedanken – notiert, zitiert, markiert und festgehalten ... bevor er wieder weg ist! FOTO: RAWPIXEL.COM_FOTOLIA.COM
Einen Moment, einen Gedanken – notiert, zitiert, markiert und festgehalten … bevor er wieder weg ist! 

FOTO: RAWPIXEL.COM_FOTOLIA.COM
Die Erfahrung zeigt, dass ein hochwertiges Schreibgerät zu mehr Sorgfalt beim Schreiben animiert. Hoffentlich. Denn neben dem Appell, sich endlich mal selbst etwas zu schreiben – über das eigene Leben und seine Entwicklung (wie die Memoirenflut der B- und C-Prominenz) – will „Selbstgemachtes“ überzeugen. Die begleitende Nachricht: Es gibt eine Reihe von Herstellern, die sich zum Teil seit vielen Jahrzehnten auszeichnen durch die Qualität von Stiften und Füllfederhaltern und deren Pflege. Allein mit der Geschichte der Füllfederhalter ließen sich Bücher schreiben. Schon darüber, wie es denn gelungen ist, das oft ärgerliche Klecksen zu vermeiden. Oder warum eine Goldfeder genau genommen: eine mit Iridiumspitze, so zuverlässig und hilfreich zu Papier bringt, was sich im Kopf zusammengefunden hat.

Etwas Geschichte sei auch hier gestattet: Der ungarische Ingenieur Theodor Kovycs gilt gemeinhin als verantwortlich für die Erfindung des Kolbenfüllers. Das weiß aber, wenn überhaupt, ein hoffnungsvoller Kandidat bei Günther Jauch.

„Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich kürzer geschrieben“ 

Persönliche Briefe werden sorgfältig verwahrt, um damit Erinnerungen aufzufrischen FOTO: SCISETTI ALFIO-FOTOLIA_FOTOLIA.COM 
Persönliche Briefe werden sorgfältig verwahrt, um damit Erinnerungen aufzufrischen 

FOTO: SCISETTI ALFIO-FOTOLIA_FOTOLIA.COM 
Erst in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts konnte dieser Kolbenfüller-Segen einigermaßen zuverlässig in Serie produziert werden. Wer auf sich hielt, signierte bald geübt mit Parker, Montblanc, Faber-Castell oder Pelikan. Das war lange, bevor in deutschen Schulen die Schiefertafel und der Griffel Platz machen mussten für Eisengallus- und andere Tinten. Heute müssen sich auch die großen Namen gegen allerlei Filzstifte und ähnlich Banales behaupten. Das machen sie recht wacker. Prognose: Den Lapidargriffeln wird es ergehen wie den Quarzuhren, die eine ganze Branche bedrohten in den 70er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts. Ja, die waren genauer als die mechanischen. Aber brauchte man das überhaupt? Bei allem Respekt für die bereits Anfang der 30er Jahre gemachte Erfindung jener Zeitmesser, mit dem Charme eines in feinster Handarbeit gefertigten Chronometers und seinem reich verzierten Werk können sie einfach nicht mithalten. Sollten sie auch nicht.

Als auf dem Tennisplatz die ersten Metallschläger Einzug hielten, war von einem Ranglistenspieler auf die Frage, ob er denn auch bald ein solches Spielgerät haben werde, zu hören: „Nein, auf keinen Fall. Yehudi Menuhin hätte auch nicht auf einer Aluminium-Geige gespielt!“ Sicher ein Standpunkt, der nachdenken lässt.

Längst gilt es wieder als chic, mit einem großen Namen zu schreiben. Viele Juweliere sehen edle Schreibgeräte als Teil ihrer Kollektion. Chopard und Cartier seien stellvertretend genannt. Einige andere gesellen sich gern hinzu. Faber-Catell ist mit seinen feinen Stiften schon nahe am Ziel. Mit Exoten wie Ferrari zeigt man nicht nur Pferdestärken und imponiert auf der A-wo-auch-immer, man beweist Stil. Ferrari da Varese, eine Manufaktur nördlich von Mailand, kann ganze Schreibersätze und erinnert im Design an den Petersdom. Der limitierte, mit Brillanten besetzte Füllfederhalter aus Sterlingsilber ist nicht nur ein Schreibgerät. Er ist ein Kunstobjekt. Solch ein Exemplar zu schaffen, kostet Zeit, der Hersteller bringt höchstens alle zwei Jahre eine neue Limitierung auf den Markt. Entsprechend sind die Preise, in Einzelfällen im vier- und fünfstelligen Bereich.

Entdeckenswert und hoch dekoriert: Der „Kiebitz“ von Stefan Fink
Entdeckenswert und hoch dekoriert: Der „Kiebitz“ von Stefan Fink
Es lohnt aber durchaus, sich in unseren Landen umzusehen, wo das Faible für feines Handwerk die Fertigung feiner Schreibgeräte steuert. Wer gern mit Holz, noch lieber mit antikem, richtig gut abgelagerten Holz arbeitet, drechselt sich und seinen Kunden limitierte Exemplare an großartigen Schreibgeräten. Der Industrie-Designer Stefan Fink ist so einer, der mit seinem „Kibitz“ und „Spatz“ international Preise eingeheimst hat. Den 1. Preis der Deutschen Manufakturen (2016), den Hamburger Handwerkspreis …. Unter anderem in Japan. Dort hat man ohnehin ein ausgeprägtes Gespür für den Wert von Handarbeit und puristischem Design. Beneidenswert. Stefan Fink sitzt mit seinem Atelier an der Langen Reihe in der „Koppel 66“. Einer von denen, die selbst entscheiden, wann etwas fertig ist. Da verbietet es sich nachzufragen, ob denn nicht vielleicht etwas früher …

Glücklicherweise gibt es versierte Quellen, die antreten, die Qualität des Schreibens zu heben. Nicht zwingend inhaltlich. Das bleibt den Autoren vorbehalten. Aber wer ein Dokument ob seiner Wichtigkeit mit einem Kolbenfüller zeichnet, spürt die Bedeutung gleich verstärkt. Und wen zwischen allen Tasten ab und zu das Gefühl beschleicht, selbst etwas zu Papier bringen zu wollen, sollte das auch tun, statt es aufzuschieben. Wäre doch zum Jammern, bliebe das den weniger Talentierten vorbehalten. Man glaubt gar nicht, wie viel Freude es bereitet, Selbstgeschriebenes zu lesen. Und wenn Urlaubskarten dokumentieren „Wir sind selbst geschrieben“, erhält man sie doch gleich noch wesentlich lieber!

Autor: uwe.petersen(at)kloenschnack.de 

www.liebesbriefe.de

und

www.friedrich-schiller-archiv.de

Wullkopf & Eckelmann Immobilien

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