1. August 2016
Magazin

Revolution von rechts

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KOMENTAR

Revolution von rechts

GASTKOLUMNE: Politik

Dr. Jürgen Hogeforster ist Vorsitzenderdes Hanse-Parlaments
Dr. Jürgen Hogeforster ist Vorsitzender

des Hanse-Parlaments
Emotionen, Irrationalität und Hass auf Eliten dominieren die Debatte rund um die neuen Rechten. Die Parallelen zur Weimarer Republik werden unverkennbar. Aber es gibt Hoffnung.

Die starken rechtspopulistischen und nationalistischen Umtriebe bereiten in Deutschland und in vielen anderen Ländern immer größere Sorgen. Der „Brexit“ mit seinen Trümmern hat alle aufgeschreckt, weitere unheilvolle Ereignisse sind wahrscheinlich.

Angst bestimmt das Geschehen

Eine Ursache des Nationalismus ist die Globalisierung, die in den Köpfen der Menschen angekommen ist. Gesamtwirtschaftlich hat Deutschland zwar davon profitiert, jedoch wenige reicher und viele ärmer gemacht. Es entsteht eine in jeder Hinsicht unsinnige Art Weltkultur, in der die Menschen sich nicht mehr zu Hause fühlen, orientierungslos werden und sich immer mehr fragen: „Wollen wir eine solche Welt?“. Die vehemente TTIP-Ablehnung ist ein jüngstes Beispiel. Als starker Gegentrend bilden sich nun willkommene Dezentralisierung und Regionalisierung heraus.

Aber Ängste und Verunsicherungen werden geschürt und von nationalistischen Bewegungen missbraucht, in denen sich die Verlierer, oder die sich als solche fühlen, versammeln. Einige der Anführer zählten sich einst selbst zur politischen oder gesellschaftlichen Elite, fühlen sich heute als Verlierer und wollen eine neue, gefährliche „Elite“ und Machtpositionen für sich selbst schaffen.

Der Zulauf, der sich aus allen Bevölkerungsteilen, vom rechten bis zum linken Spektrum speist, wird von einer unbestimmten Angst bestimmt. Besonders stark verbreitet ist diese auch in den Mittelschichten und bei älteren Menschen. Getrieben von Emotionen, unerreichbar für rationale Argumente, werden sie zum Spielball populistischer Stimmenfänger, die rhetorisch geschickt mit eindrucksvollen Schreckensbildern Ängste schüren, unredliche Lügen verbreiten, alles versprechen, aber nichts halten und keine Verantwortung übernehmen – siehe Brexit.

Neue Werte für die alte Welt

Eine weitere Ursache liegt in Verschiebungen der Wertstrukturen. Immer mehr Menschen suchen Überschaubarkeit. Sie lehnen zentrale Führung ab, trauen den da oben immer weniger, wollen mitbestimmen und Einfluss nehmen. Da herkömmliche Parteien in dieser Situation versagen, beteiligen sich viele bei nationalistischen Bewegungen, ohne deren wahren Ziele zu durchschauen. Viele der Mitläufer bei Pegida nutzen dies als Kanal, nach 50 Jahren Kommunismus endlich mitreden und kundtun zu können: „Wir wollen mitbestimmen. Wir sind mit Eurer Politik nicht einverstanden.“ Sie bedenken nicht die Folgen und wollen dafür nicht verantwortlich sein.

„Wir müssen erkennen, dass wir in ein neues Zeitalter eingetreten sind …“

Die starke Verbreitung von „Mehr Demokratie“ ist bestimmt kein Kind der rechten Bewegungen, aber deutliches Zeichen der Wertänderungen. Und die Volksabstimmungen in England und ebenso in Hamburg zeigen, dass nicht Sachkenntnisse, sondern Emotionen und generelle Ablehnung der herrschenden Eliten die Ergebnisse bestimmen.

Wir müssen erkennen, dass wir bereits seit einigen Jahren in ein neues Zeitalter eingetreten sind, ohne zu wissen, was die neue Zeit erfordert und bringt. Ob die bedrohliche Entwicklung, die unverkennbare Parallelen zur Weimarer Republik aufweist, nur eine vorrübergehende Erscheinung in den unsicheren Übergangszeiten ist oder der Nationalismus mit allen schrecklichen Folgen weiter expandiert, wird in erster Linie in der Mitte entschieden.

Keine Angst vor den Rechten

auch das Ausschütten des sozialen Füllhorns, wie es insbesondere die Linken und auch Teile der SPD plant, die Ängste nicht besiegen. Die politischen Parteien zerfallen in die System-Vertrauer, die alles so behalten wollen und Gefahr laufen, alles zu verlieren, und in die System-Skeptiker, die letztlich ebenfalls zurück wollen zu einer Politik, die sich längst selbst erledigt hat. Parteien, die Änderungen des politischen Systems nicht aus Vernunft, sondern aus Angst vor den Rechten wollen, werden es kaum richten!

Doch jede Gesellschaft braucht Führung, ganz besonders in unsicheren Zeiten. Aber die herkömmlichen, horizontal verlaufenden Eliten des Geldes, akademischer Ausbildung, der politischen oder wirtschaftlichen Macht versagen in der neuen Zeit, ihnen wird zutiefst misstraut. Es bildet sich vertikal zu den gesellschaftlichen Strukturen eine „neue Elite der Verantwortung“ heraus, die Vorbild und Orientierung geben und Nationalismus erfolgreich stoppen kann. Das Verflixte ist nur, dass diese Mitte selbst oft Angst erfüllt und anfällig ist. Erforderlich sind Schulterschluss, Mut und Zivilcourage, um den gefährlichen Stammtischparolen bei jeder sich bietenden Gelegenheit entgegenzutreten.

Bei der Bewältigung der Modernität führt kein Weg zurück. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass die Entwicklung von Kulturen und Strukturen für das neue Zeitalter gelingt und schon in wenigen Jahren der heutige Nationalismus im Mülleimer der Geschichte landet. Das neue Zeitalter ist eine Zeit der Kooperation und des Vertrauens; mein Vertrauen in die „neue Elite“ und in die nachwachsende Generation ist schier grenzenlos.

Dr. Jürgen Hogeforster

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