1. April 2016
Magazin

Hamburger Taxi-Eltern

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GESELLSCHAFT

Hamburger Taxi-Eltern

Der tägliche Wahnsinn

Ein ganz normaler Morgen vor der Schule. Halt: nicht ganz. Es ist der erste Schultag nach den Frühjahrsferien, die hier im Hamburger Westen als „Skiferien“ gelten. Noch etwas aufgeregter als sonst geht es zu.

Schulbeginn an der Oesterleystraße
Schulbeginn an der Oesterleystraße
Es ist längst zu einer hinderlichen Sitte geworden: Überfürsorgliche Eltern verstopfen mit ihren üppig dimensionierten PKW die Straßen. Dabei ist es völlig egal, ob man vor die Stadtteilschule oder das Gymnasium Blankenese schaut. Der Service-privatissimo mag in bester Absicht geschehen, aber „gut gemeint ist die kleine Schwester von Scheiße“, heißt es nicht nur in Schülerkreisen. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, der achte einfach an der Oesterleystraße morgens vor Schulbeginn auf das dort entstehende Chaos. Eine Blankeneser Unsitte ist das ebenfalls nicht, nur ist die Cayenne-Dichte hier besonders groß. Sicher: Diese Fahrzeuge geben den Insassen ein besonderes Gefühl von Sicherheit, man sitzt höher und hat „gefühlt“ größere „Knautschzonen“ bei einem womöglich eintretenden Unfall.


Es mag auch sein, dass dieses erhöhte Sicherheitsgefühl die befördernden Mütter auch ohne Personenbeförderungsschein beruhigt. Aber wie ist es zu erklären, dass, sobald sich die Gelegenheit zum Absetzen der Kleinen ergibt, fast mit Vollbremsung angehalten wird, um die behütete Fracht aus weit aufgerissenen Türen abzuladen?!

Möglicherweise Vorbeiradelnde, Kinder wie Erwachsene, müssen halt sehen, wie sie vorbei kommen…

In den Niederlanden kommen sogar die Kinder des Königs mit dem Fahrrad zur Schule

... und Alternative?
… und Alternative?
Vielleicht wurde in den gerade beendeten Osterferien, die „Skiferien“, wie die Hamburger wissen, in Österreich abgeschaut, dass Eltern und ihre Kinder dort fast immer per SUV zur Schule kutschieren. Nicht alle unsere Nachbarn verfahren nach diesem Prinzip: In den Niederlanden begeben sich sogar die Kinder des Königs mit dem Fahrrad zur Schule. Täglich sind brenzlige Situationen zu beobachten, wenn (fast alle) Kinder aus den offenen Türen flitzen und gerade noch daran denken, ihren überdimensionierten Rucksack mit den Büchern mitzunehmen. Darauf zu achten, dass niemand unter die Räder kommt, ist ja wohl Sache der nachfolgenden Fahrzeuge, respektive ihrer Halter. Unverständnis erntet, wer die Erziehungsberechtigten etwa auf die Situation und die damit verbundenen Gefahren anspricht. Wer sich sowas traut, setzt sich schnell dem Verdacht aus, etwa sozialneidisch zu sein. Zumindest wäre das ja ein Eingriff in sehr persönliche Rechte.

Sachlich betrachtet: Schuld sind überbesorgte Eltern, vornehmlich Mütter, deren Kinder sich an diesen Komfort gewöhnen durften. Die Szenen fraglos bedenklich: Hastig hüpfen die Knirpse aus den Wagen, die kreuz und quer anhalten. Damit die Autos nicht auch noch das Trottoir verstellen – und damit den eigentlichen Schulweg der Kinder – wird an Rücksicht appelliert. Nahezu ohne Wirkung.

Die Schulleitungen weisen auf die Notwendigkeit für die Schüler hin, den Weg zur Schule als wichtigen Schritt zur Selbständigkeit zu erlernen. „Eltern, die Kinder jeden Tag zur Schule fahren, nehmen ihnen damit ein Stück Lebenserfahrung,“ ist aus Lehrerkreisen zu hören. Loslassen ist sicher eine schwierige Sache. Einige Eltern müssen eindringlich gebeten werden, ihre Kinder nicht bis ganz an den Platz zu begleiten.

Das Problem der „Taxi-Mamis“ ist seit Jahren bekannt und zumindest zum Teil den Lehrplänen anzulasten. Die Kinder werden quasi von einem Termin zum nächsten gefahren, weil sie einen proppevollen Tagesplan haben. Das mögen auch die Volumen der Rucksäcke belegen, die längst die gute alte Schultasche ersetzt haben und häufig ein Gesamtgewicht erreichen, das die Stirn aller Orthopäden runzeln lässt.

Tatsache ist, dass die Beschaffenheit der SUV wohl unweigerlich auch sowas wie eine Überlegenheit gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern fördert. Da ist es dann eher egal, welche Marke dahinter steckt, Hauptsache SUV! Kinder haben keine Knautschzone. Das wird in Sekundenbruchteilen vergessen – mit erstaunlich wenig schlimmen Folgen. Zum Glück!

Über Abhilfe wird nachgedacht, und es gibt auch Vorschläge.

Derzeit sieht es jedoch noch so aus: Jacke, Schuhe, Ranzen und dann mit dem Auto bis unmittelbar vors Schulgelände …

In Wülfrath in NRW zum Beispiel sollen deshalb jetzt städtische „Kiss+Ride“-Parkplätze vor den Schulen entstehen.

Schaunmerma.

Autor: uwe.petersen(at)kloenschnack.de

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