2. Oktober 2015
Magazin

Ein Museum auf Reise

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CAP SAN DIEGO 

Ein Museum auf Reise

Die Seele im Hafen 

Seit dem geschichtsträchtigen 9. November 1990 liegt die „Cap San Diego“ an der Innenkante der Überseebrücke. Für das Museumsschiff wurden extra Pfähle gerammt, um es mit sogenannten Dockschlössern festzumachen. FOTO:H.A.PRINZ REUSS
Seit dem geschichtsträchtigen 9. November 1990 liegt die „Cap San Diego“ an der Innenkante der Überseebrücke. Für das Museumsschiff wurden extra Pfähle gerammt, um es mit sogenannten Dockschlössern festzumachen. FOTO:H.A.PRINZ REUSS
Wer an Bord der „Cap San Diego“ geht, taucht in eine andere, vergangene Zeit ein. Ein Bordleben, bei dem an Deck noch Muskeln gebraucht wurden, in der Matrosen auf Ausguck gingen und Elektronik so selten war wie ein Vegetarier im Steakhaus. Anlässlich der „Cruise Days“ warf das weltgrößte Fracht-Museumsschiff letztmalig in diesem Jahr die Leinen los. Der KLÖNSCHNACK fuhr mit und sammelte einige Impressionen.

Mit ernstem Blick schaut Kapitän Rüdiger von Ancken zur Uhr. „Notieren Sie, 18.12 Abfahrt“. An wen die Bemerkung geht, wird angesichts des Gedränges auf der Brücke nicht ganz klar. An von Anckens Seite steht Hafenlotse Jan Peter, der sogleich das Kommando übernimmt. „Backbord 20“, seine erste Anweisung, die von Ann-Kathrin Köpke, einer im Brückenschott stehenden, zukünftigen Kapitänin, unverzüglich an den Rudergänger weitergegeben wird. Das ist schwierig, denn die Gäste stehen dicht an dicht auf der Brücke und in den Nocken. Wer hier etwas zu sagen hat oder gänzlich ahnungslos aus dem Brückenfenster schaut, ist schwer zu unterscheiden.

Wendemanöver vor dem Blankeneser Bull’n. Für Kapitän Rüdiger von Ancken und seine Passagiere immer wieder ein besonderes Erlebnis.
Wendemanöver vor dem Blankeneser Bull’n. Für Kapitän Rüdiger von Ancken und seine Passagiere immer wieder ein besonderes Erlebnis.
Unvorstellbar, dass auf der Brücke der „Cap San Diego“ so ein Gedränge herrschte, als Kapitän und Nautiker der Reederei Hamburg Süd noch an Uniformen mit goldenen Streifen mit Stern erkennbar waren. Wurde damals eine bestimmte geografische Breite überschritten, lag eine Anweisung auf dem Kartentisch, welche Uniform, weiß, khaki oder dunkelblau, zu tragen ist. Chinesen in der Wäscherei im Schiffsbauch hielten das Zeug damals tadellos in Schuss.
Auf dem nahe der „Cap San Diego“ liegenden Luxusliner „Europa“, Stunden später wird er die „Cap San Diego“ auf der Elbe passieren, sind die Männer und Frauen der Besatzung noch an ihren Uniformen zu erkennen. Ob Nautiker, Servicepersonal oder Bademeister – alles blitzt und blinkt. Auf dem Museumsschiff „Cap San Diego“ hingegen tragen auch einige der wichtigeren Leute einen roten Overall.

Auch am Ruder steht einer der vielen Ehrenamtlichen. Ohne sie wäre die Fahrtüchtigkeit des Musemsschiffes nicht gewährleistet. FOTOS RECHTS: HELMUT SCHWALBACH
Auch am Ruder steht einer der vielen Ehrenamtlichen. Ohne sie wäre die Fahrtüchtigkeit des Musemsschiffes nicht gewährleistet. FOTOS RECHTS: HELMUT SCHWALBACH
So wie der Rudergänger. Er steuert das Schiff so ehrenamtlich wie der Hafenlotse seine Kommandos gibt, Rüdiger von Ancken den Überblick über das Ganze bewahrt, die Ingenieure die Maschine in Schuss halten und Daniel Jahn, der die Gäste mal mit kurzweiligen Döntjes, mal mit Zahlen und Fakten wach hält. „Das ist unser He lücht“, sagt ein Besatzungsmitglied.

Zu den wichtigsten Personen an Bord eines Schiffes zählt damals wie heute der Koch. Rund 500 Gäste und die Besatzung wollen verpflegt werden. Während die Brigaden auf der „Europa“ ein Vier-Gang-Menü für geladene Gäste zubereiten, steckt in der Kombüse in der Backröhre ein Rinderbraten Die Besatzung fasst ihr Essen in einem ehemaligen Laderaum, in dem noch Haken von der Decke hängen. „An ihnen hingen früher Rinderviertel“, erklärt ein Mann in rotem Overall. Ein anderes Besatzungsmitglied knurrt: „Haben Sie ein rotes Band?“. Denn nur wer ein rotes Band am Gelenk trägt, darf in dem ehemaligen Kühlraum mit den vielen Haken sitzen.

Die Auslaufparade mit vielen kleinen Booten, ganz ohne Kreuzfahrtschiffe, kam bei den Gästen der „Cap San Diego“ besonders gut an. Häufig ist weniger mehr. FOTOS HELMUT SCHWALBACH
Die Auslaufparade mit vielen kleinen Booten, ganz ohne Kreuzfahrtschiffe, kam bei den Gästen der „Cap San Diego“ besonders gut an. Häufig ist weniger mehr. FOTOS HELMUT SCHWALBACH
Die Regularien für die „Cap San Diego“- Besatzung sind strikt. „Nur einen großen Teller benutzen“, so der Herr über Auflauf und Braten. Während die Gäste beim Rinderbraten sitzen, werden auf der „Europa“ Garnelen und Seezunge serviert. Immerhin erinnert die „Aprikosen-Kaltschale“ als Zwischengang an die Seefahrt von damals. Kaltschale kam auf Frachtschiffen besserer Reedereien in wärmeren Gegenden regelmäßig auf den Tisch.

Es gibt noch mehr Parallelen von Luxusschiff und Museumsschiff. Hier wie dort orientieren sich die Gäste ganz verschieden. Die einen zieht es in die Bar, andere lauschen der Bordkapelle oder genießen Kunst. All das gibt es tatsächlich auch auf den Gästefahrten der „Cap San Diego“.

Der Kartentisch des Museumsschiffes erinnert daran, dass die klassische Navigation ganz ohne Elektronik auskam.
Der Kartentisch des Museumsschiffes erinnert daran, dass die klassische Navigation ganz ohne Elektronik auskam.
Einige Gäste harren unverdrossen Stunde um Stunde auf der Brücke aus. Sie werfen einen Blick in die Funkbude oder den Kartenraum. Neben einem Chronometer, Funkpeiler und einer Seekarte hat er wenig zu bieten. „Erstaunlich, mit wie wenig die damals ausgekommen sind“, staunt ein Gast über die spartanische Ausrüstung. Denn auch die Brücke bietet wenig. Die beiden Radargeräte auf der Steurbordseite kamen erst nach der Zeit als Frachtschiff an Bord. „Was bedeutet eigentlich der Begriff TEU?, fragt „He lücht“ Daniel Jahn, wohlwissend, dass keiner seiner Zuhörer die Antwort kennt. Twenty-foot Equivalent Unit (Abkürzung TEU, deutsch: Standardcontainer) ist eine international standardisierte Einheit zur Zählung von ISO-Containern verschiedener Größen und zur Beschreibung der Ladekapazität von Schiffen und des Umschlags von Terminals beim Containertransport. So die sinngemäße Antwort.

Der Maschinenraum der Cap San Diego zeigt gewaltige Kolben inmitten dröhnenden Lärms.
Der Maschinenraum der Cap San Diego zeigt gewaltige Kolben inmitten dröhnenden Lärms.
„Daneben gibt es die Forty-foot Equivalent Unit“. Ob das nach mehreren Stunden Fahrzeit viele interessiert, bleibt ungewiss. Den navigatorisch Interessierten bietet das Wendemanöver vor dem Blankeneser Anleger einen Höhepunkt der Reise. Als später die AIDAbella, „Mein Schiff 4“ und die „MS Europa“ an dem von Schleppern im Strom gehaltenen Museumsschiff vorüberfahren ist das Staunen groß.

Gemeckert wurde einen Tag später nur bei den Umweltschützern vom Naturschutzbund Deutschland. Die warnten vor giftigen Schiffsabgasen.

Nur eine von 23 Kreuzfahrtschiffen verfüge über einen Landstromanschluss. Auf der „Cap San Diego“ gab sich niemand als Umweltschützer zu erkennen.

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.capsandiego.de

EDEKA Volker Klein

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