31. August 2017
Magazin

Die Romantik kehrt zurück 

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MARITIMES HAMBURG

Die Romantik kehrt zurück 

Hafen Hamburg 

Es wird wieder schön zwischen den Kais. Jahrelang als „Motor“ tituliert, allenfalls noch als schlagendes „Herz der Metropolregion“, gewinnt der Hafen seit Jahren neue Facetten. Die Containerprognosen schwächeln, aber den Gästen gefällt das Treiben zwischen den Kränen besser denn je.

Seien wir ehrlich: Die Zahlen sind ernüchternd. Von den euphorischen Prognosen aus dem Jahr 2010 will im Hafen niemand mehr etwas wissen. Damals sagten Statistiker 25 Millionen umgeschlagene Standardcontainer (TEU) voraus, aber heute ist klar: Von denen werden etliche in Rotterdam landen. Der Umschlag liegt derzeit, sieben Jahre nach der großen Party, bei knapp 9 Mio. pro Jahr. Für 2030 erwartet die städtische Kristallkugel nun einen Wert zwischen 16,4 und 18,1 Mio. TEU. Auf die Kommastelle genau, versteht sich.

Eine bestimmte Zahl entwickelt sich auf dem Hafengelände jedoch prächtig: die der betriebsfremden Personen. Egal, welche Gruppe man heranzieht – Touristen, Kreuzfahrer, Tagesurlauber –, das Bild ist positiv. Zwischen 2006 und 2016 stieg die Zahl der Übernachtungen in Hamburger Hotels und Pensionen um knapp 86 Prozent. Allein 2016 kamen 6,6 Millionen Gäste, füllten die Schlange zum Miniaturwunderland und machten „Ah!“ und „Oh!“ im Nieselregen vor der Elbphilharmonie.

Hafenbilder aus der Zeit vor dem Container. Die Seefahrtsromantik ist dem Stückgut geschuldet. Das Verladen und Stauen von Säcken, Ballen und Fässern war eine zeitintensive Arbeit, die zu langen Liegezeiten der Schiffe führte. Mit angenehmen Folgen für die Besatzung. 
Hafenbilder aus der Zeit vor dem Container. Die Seefahrtsromantik ist dem Stückgut geschuldet. Das Verladen und Stauen von Säcken, Ballen und Fässern war eine zeitintensive Arbeit, die zu langen Liegezeiten der Schiffe führte. Mit angenehmen Folgen für die Besatzung. 
Geplant ist ein Museum von nationaler und internationaler Bedeutung sowie hoher touristischer Relevanz, das der Bedeutung des Hafens gerecht wird.

Die Silhouette des Hafens hat sich ob diesem Ansturm deutlich gewandelt. Wo um das Jahr 2000 noch merkantile Kargheit vorherrschte, steht nun ein buntes Potpourri aus Jung und Alt, Nützlich und Schön. „Rickmer Rickmers“ und Elbphilharmonie sind die Platzhirsche und freuen sich auf Neuzugänge wie den Flying P-Liner „Peking“ (die Viermastbark wird derzeit restauriert und liegt dann ab 2019 im Hafen). Stichwort Potpourri. Nicht nur Besucher merken es, auch in Hamburg spricht es sich herum: Dem touristischen und vor allem dem musealen Hafen fehlt noch etwas der Plan. Zwischen Wirtschafts- und Kulturbehörde ist man sich einig, dass es noch mehr Touristen werden sollen, allein über den genauen Kurs herrscht Uneinigkeit. Das zeigte sich besonders bei der Planung des „Deutschen Hafenmuseums“. 

Schauermann ist nur einer der vielen Berufe, die mit dem Siegeszug des Containers ausstarben 
Schauermann ist nur einer der vielen Berufe, die mit dem Siegeszug des Containers ausstarben 
Hierunter verbirgt sich ein ambitioniertes Vorhaben, das zwischen 2023 und 2025 in einem neuen Museum münden soll. Geplant ist nicht weniger als „ein Museum von nationaler und internationaler Bedeutung sowie hoher touristischer Relevanz, das der herausragenden Funktion der deutschen Häfen am Beispiel des Hamburger Hafens für Geschichte und Gegenwart gerecht wird“ (Eigendarstellung). Der Bund gibt 120 Millionen Euro für den Bau hinzu (allein 26 Mio. für die „Peking“), der in Zukunft 300.000 Besucher pro Jahr anziehen soll. Der Standort ist aber noch umstritten. Tatsächlich besitzt Hamburg bereits nicht weniger als fünf Museen, über die ganze Stadt verstreut, die den Hafen zum Thema haben: das Internationale Maritime Museum, das Altonaer Museum mit seiner Ausstellung zum historischen Fischfang, das Museum der Arbeit in Barmbek, das Museum für Hamburgische Geschichte (u. a. ist hier ein kompletter Dampfer zu sehen) und schließlich das Hafenmuseum im 50er Schuppen, auf dem kleinen Grasbrook.

Die „Peking“, hier noch in New York  
Die „Peking“, hier noch in New York  
Im Februar 2017 entzündete der „Zeit“-Autor Maximilian Probst unter dem Aufruf „Kurswechsel!“ eine Debatte. Probst fordert, die Idee eines weiteren Hafenmusesums zu versenken und stattdessen eben jenes Hafenmuseum auf dem Grasbrook mit den Beständen der übrigen Museen aufzuwerten und so eine museale Zentrale des Hafens zu schaffen. Laut Probst fehlt der Stadt nämlich eine „anschauliche Erzählung über die Globalisierung“. Es fehle an Kontext, an Hirn, an einer tragfähigen Prämisse, die der Hamburgischen Hafengeschichte gerecht werde. All dieses fehle auch und besonders im Internationalen Maritimen Museum des verstorbenen Springer-Vorstands Peter Tamm. Dessen Motto – „Schifffahrtsgeschichte ist Menschheitsgeschichte“ – sei eine Leerformel, da man darunter so gut wie alles verstehen könne.

Die Vergangenheit zieht. Museumsschiff „Cap San Diego“ bei einer Ausfahrt auf der Elbe FOTO: FREDRISKSEN  
Die Vergangenheit zieht. Museumsschiff „Cap San Diego“ bei einer Ausfahrt auf der Elbe FOTO: FREDRISKSEN  

Auch das Museumsschiff MS „Bleichen“ kommt aus der Welt des Stückguts FOTO: STIFTUNG HAMBURG MARITIM 
Auch das Museumsschiff MS „Bleichen“ kommt aus der Welt des Stückguts FOTO: STIFTUNG HAMBURG MARITIM 
Das Hafenmuseum Hamburg befindet sich mitten im ehemaligen Freihafen auf dem letzten und denkmalgeschützten Gelände eines Kaizungenensembles …

Probsts Kritik widersprach kurz darauf der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs (SPD) unter dem Schlachtruf „Kurs halten!“ Auch Kahrs sieht in dem 50er Schuppen den perfekten Standort, will die Bundesmittel jedoch nicht wieder hergeben, sondern das neue Museum mit allem was sonst noch zur Verfügung steht (u. a. Archivbestände der Museen) planen, bauen, eröffnen, kurz: durchziehen.

Tatsächlich ist das bestehende Hafenmuseum schon jetzt sehenswert. Zunächst der Standort: Es befindet sich mitten im ehemaligen Freihafen auf dem letzten und denkmalgeschützten Gelände eines Kaizungenensembles, dessen Struktur vor mehr als 100 Jahren angelegt wurde.

Das Internationale Maritime Museum FOTO: MICHAEL ZAP
Das Internationale Maritime Museum FOTO: MICHAEL ZAP
Im Schuppen selbst findet der Besucher eine beeindruckende Sammlung aus der Zeit vor dem Container und eine authentische Atmosphäre bis hin zum Kaffeegeruch. Auf seinen Außenanlagen präsentiert das Museum historische Verladekräne und die MS „Bleichen“, ein 1958 vom Stapel gelaufener Stückgutfrachter.

Teile der Ausstellungen im Hafenmuseum wirken aber noch improvisiert (das Museum wird im Wesentlichen von Ehrenamtlichen betrieben) und ungeordnet. Das hat Charme, macht aber eben auch deutlich, was sich hier mit 120 Mio. Euro bewirken ließe

Das neue Deutsche Hafenmuseum könnte zunächst per Schiffslinie 62 an den städtischen Fährverkehr angebunden werden. Später könnte es Impulse geben zum Sprung über die Elbe.

Historische Kräne sind im Hafenmuseum zu sehen FOTO: MDA
Historische Kräne sind im Hafenmuseum zu sehen FOTO: MDA
Ein Problem aber gibt es: Das Gelände ist für Touristen nur schwer erreichbar. Es liegt streng genommen auf der „falschen“ Seite der Elbe, ist von Norden her nur mit dem Auto zu erreichen oder aber mit einer Bus-Odyssee von der Veddel aus. Wenn die Stadt das Deutsche Hafenmuseum an diesem Standort also tatsächlich „durchziehen“ will, dann muss etwas passieren. Das sieht auch Johannes Kahrs so: Das Deutsche Hafenmuseum könnte zunächst per Schiffslinie 62 an den ständtischen Fährverkehr angebunden werden. Wenn sich dann im Anschluss Gastronomiebetriebe auf dem weitläufigen Gelände ansiedeln, könnte dies ein weiterer Impuls bedeuten für den „Sprung über die Elbe“, Richtung Harburg.

„Damit würde das Deutsche Hafenmuseum einen Prozess antreiben, der ohnehin schon im Gang ist“, schreibt Kahrs in der „Zeit“. „Die Verlagerung des Hafens Richtung Westen, die Entwicklung des Kleinen Grasbrooks und die Öffnung von Wilhelmsburg und der Veddel zu einem neuen großen Wohngebiet.“ 

Zukunftsmusik, gewiss, aber das war lange Zeit auch die Elbphilharmonie.

Der Kreuzfahrtsektor in Hamburg boomt. Jedes Jahr kommen mehr Schiffe in den Hafen FOTO: HHM/GLAUBITT 
Der Kreuzfahrtsektor in Hamburg boomt. Jedes Jahr kommen mehr Schiffe in den Hafen FOTO: HHM/GLAUBITT 
Wir sehen also derzeit eine spannende Entwicklung des Hamburger Hafens als Impulsgeber jenseits reiner TEU-Steigerungsraten. Es mag alteingessenen Hafenbetrieben nicht so recht gefallen, bleibt als Szenario aber plausibel: Der Hafen wandelt sich von einem äußerst rationalen Wirtschaftsstandort zu einem touristischen Zentrum, das weit über die Grenzen des alten Freihafens in die gesamte Stadt ausstrahlt. Mit „Peking“ und dem Deutschen Hafenmuseum ante portas könnte die Debatte auch in diesem Herbst spannend bleiben. Letztlich könnte ein „neuer Hafen“ in Zukunft auch zu einer entspannteren Sicht auf Infrastrukturmaßnahmen wie die Elbvertiefung führen.

Autor: tim.holzhaeuser(at)kloenschnack.de 

www.deutsches-hafenmuseum.de

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