4. April 2018
Magazin

„Wir sind weltweit führend“

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INTERVIEW DES MONATS 

„Wir sind weltweit führend“

Sagen Sie mal …
… Jörg Pollmann, Hafenkapitän

Der Klönschnack traf Hamburgs Hafenkapitän in seinem in der Speicherstadt gelegenen HPA-Büro. Dabei ging es um große und kleine Schiffe, Begegnungsboxen und das Tempolimit auf der Elbe.

„Den Seemann mit Vollbart, der den Salzgehalt prüft und danach handelt, gibt es nicht.“
„Den Seemann mit Vollbart, der den Salzgehalt prüft und danach handelt, gibt es nicht.“
Herr Pollmann, als Sie 1994 den Posten des Hafenkapitäns antraten, waren Schiffe maximal 300 Meter lang. Heute sind es 100 Meter mehr. Beeindruckt Sie das?

Das bedeutet zunächst mal ein Drittel mehr Länge. Daneben sind sie auch breiter und höher geworden. Dadurch hat sich auch das Volumen der Schiffe um ein Vielfaches vergrößert.

Was bedeutet das?

Die Windangriffsfläche hat sich deutlich vergrößert. So kommt beispielsweise die Gorch Fock auf 2.500 Quadratmeter Segelfläche. Ein großes Containerschiff, beladen mit sechs, sieben Lagen, liegt bei 16.000 Quadratmeter Segelfläche. Das muss beim Manövrieren und auch bei der Planung bedacht werden. Das sind Dinge, die sich in den letzten Jahren grundlegend verändert haben.

Verändert haben sich auch Ihre technischen Möglichkeiten.

Vor 20 Jahren hatte man noch nicht die Berechnungsmethoden von heute. Heute können wir sehr viel genauere Voraussagen machen. Früher lief viel nach der Methode „learning by doing“. Heute können wir viel mehr berechnen und in Simulationen gehen. Den Seemann mit Vollbart, der den Salzgehalt riecht und danach handelt, gibt es nicht mehr.

Erstaunlich, dass früher nicht viel mehr passiert ist. Die Männer verließen sich damals viel auf Erfahrung und Instinkt.

„So wie Autos, wird es auch immer mehr autonom fahrende Schiffe geben.“

Das ist eben nicht erstaunlich. Auch heute brauchen Sie viel Erfahrung. Die Technik kommt heute dazu. Zudem sind die Wasserwege deutlich enger geworden. Wir müssen neue Manöverstrategien entwickeln, wenn neue Schiffstypen kommen. Dann werden Simulationsdaten und praktische Daten gegenüber gestellt. Sicherheit gibt uns, dass die Manöver im Simulator meist schwieriger sind als in der Praxis.

In anderen Teilen der Welt ruht bei Nebel der Schiffsverkehr. In Hamburg fahren Schiffe bei jeder Sicht.

Möglich ist das, weil wir sehr erfahrene Lotsen und ein weltweit führendes Verkehrsleitsystem vorhalten. Diese beiden Dinge zusammen gewährleisten den sicheren Verkehr. Bei Nebel wird zudem die Lotsbefreiung für alle Schiffe aufgehoben. Das haben alle Schiffe akzeptiert. Hintergrund war der einmalige Fall eines Kapitäns, der die Orientierung im Hafen verloren hatte.

Bäckerei Hartmut Körner e.K.

Unklarheit besteht bei Sportbootfahrern häufig beim Tempolimit auf der Elbe und im Hafen.

Das liegt im Hafen bei zehn Knoten. Von der Nordsee kommend können Sie bis Cuxhaven so schnell fahren, wie Sie wollen. Von dort wird das Tempo, das Sie fahren dürfen, über vierzehn, zwölf und schließlich zehn Knoten immer geringer.

Schon heute sind an Bord auch großer Schiffe immer weniger Seeleute. Führt der Weg zu autonom fahrenden Schiffen?

So wie es autonome Autos gibt, wird es künftig auch autonome Schiffe geben. Am Beispiel des Autos lässt sich das leicht erklären. Die Testversuche bei Autos werden heute auf Autobahnen, also überschaubare Verkehrsgebiete, gemacht. Das wird bei Schiffen ganz ähnlich sein. So bin ich überzeugt, dass es autonome Schiffe in spätestens zehn Jahren geben wird.

Wo sehen Sie Chancen für selbstständig fahrende Frachter?

Ein Beispiel: An der Ostküste der USA werden die Häfen angefahren, dann geht die Besatzung bis auf zwei, drei Besatzungsmitglieder für die Atlantiküberquerung von Bord. Irgendwann fahren die Schiffe ganz ohne Personal. Dass sie bis in die Häfen allein fahren, sehe ich noch in ferner Zukunft. Das Thema wird von uns sehr interessiert beobachtet und begleitet. Wobei die autonomen Schiffe von See immer weiter in den Hafen kommen werden.

Hafenkapitän Pollmann vor einer digitalen Seekarte, die Teile des Hamburger Hafens zeigt.
Hafenkapitän Pollmann vor einer digitalen Seekarte, die Teile des Hamburger Hafens zeigt.
Wie lange sind Sie schon mit dem Thema Elbvertiefung beschäftigt?

In meiner Funktion als Hafenkapitän geht es jetzt um die zweite Fahrrinnen-Anpassung. Damals war es eine Elbvertiefung. Jetzt geht es neben der Vertiefung auch um eine Verbreiterung. Bei Cuxhaven hat die Elbe eine Breite von einem Kilometer. Die tiefe Rinne hat eine Breite von 400 Metern, ab Glückstadt verjüngt sie sich auf 300 Meter. Zum Hafen hin sind es 250 Meter Breite. Nun kann ich dem Schiff nicht sagen: Halte mal die Luft an und mache dich schmaler.

Wo liegt also das Problem?

Im 400-Meter-Bereich können auch die größten Schiffe problemlos passieren. Im 300-Meter- Bereich haben wir Restriktionen. Schiffe mit einer addierten Breite von 90 Metern dürfen sich nicht begegnen und zwischen Glückstadt und dem Hafen habe ich dann bei großen Schiffen also eine Einbahnstraße. Ein logistisch unglaubliche Herausforderung.

Wie ist der Mindestabstand, unter dem sich die Schiffe begegnen dürfen?

Durch die Art der Beladung und ihrer Windangriffsfläche der großen Containerschiffe traversiert das Schiff quasi. Das Schiff braucht also eine ganz andere Verkehrsfläche. Hinzu kommt der Banking-Effekt, eine Art Düseneffekt. Kommt das Schiff dem Fahrwasserrand zu nahe, ergibt sich ein Sog. Also brauchen Sie eine Schiffsbreite Raum als Minimum an der Seite. Das Gleiche gilt für das entgegenkommende Schiff. Daraus ergibt sich, welche Schiffe aneinander vorbeikommen. Nun wollen wir die 300-Meter-Fahrrinne auf 320 Meter, die 250 breite Fahrrinne auf 270 Meter verbreitern. Für die ganz großen Schiffe reicht das immer noch nicht. Deswegen werden wir eine Begegnungsbox einrichten. Damit wird die Effizienz bei der Ausnutzung des gesamten Fahrwassers ganz massiv gesteigert. Die Verbreiterung der Elbe ist also genauso wichtig wie die Vertiefung des Fahrwassers.

„Die gesamte Effizienz des Fahrwassers wird massiv gesteigert.“

Wann können die Bagger loslegen?

Es ist eine rechtliche Frage, bis es losgehen kann. Technisch ist alles geklärt.

Das gilt auch für die beiden Blankeneser Leuchttürme?

Auch hier ist alles geklärt. Es geht nur noch um naturschutzrechtliche Dinge wie etwa den Schierlingswasserfenchel. Es gab viele Diskussionen, etwa zum Salzgehalt, zur Deichsicherheit und sogar dem Schattenwurf der Leuchttürme.

Wo sehen Sie ein Ende der Elbvertiefung, kratzen die Bagger irgenwann über den Elbtunnel?

Das ist eine politische und strategische Frage. Deshalb kann ich die Frage nicht beantworten. Tiefer als der Elbtunnel liegt, geht es tatsächlich nicht.

Bis zu welcher Größe werden Schiffe Hamburg anlaufen können?

Wir nähern uns dem Thema technisch, gehen in eine entsprechende Simulation. Kommen solche ganz großen Schiffe irgendwann, werden sich wegen der Anlaufbedingungen die Betreiber möglicherweise überlegen, ob Hamburg weiterhin als Hafen interessant bleibt.

Sie sind für Binnenschiffer, Segler, das gesamte Hafengeschehen verantwortlich. Welche Sparte bereitet Ihnen besonders Kopfzerbrechen?

Anspruchsvoll sind sie alle. Es geht immer um ein gutes Miteinander. Darauf legen wir besonderen Wert. Zum Hafen gehören die Frachtschiffe genauso wie die Sportboote. Die Praxis zeigt, dass es geht.

Herr Pollmann, der Klönschnack dankt für das Gespräch.

Gespräch: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.hamburg-port-authority.de

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