2. Oktober 2015
Magazin

Vorbei oder nicht vorbei?

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KOMMENTAR: Stellungnahme 

Vorbei oder nicht vorbei?

GASTKOLUMNE: Griechenlands Schulden

Nikolaos Tavridis, Geschäftsführender Gesellschafter der Elbschloss Residenz, lebt mit seiner Familie in Blankenese und ist in Thessaloniki geboren und aufgewachsen. Er widmet sich dem Thema Griechenland-Krise aus seiner ganz persönlichen Sicht. Zwischen Heimat und Zuhause.

Nikolaos Tavridis
Nikolaos Tavridis
In den nächsten drei Jahren fließen 86 Milliarden Euro nach Griechenland, als Antwort auf das von der griechischen Regierung geschnürte Sparpaket. Damit, so war häufig in den Medien zu lesen und zu hören, sollte es Griechenland gelingen, die Krise zu überwinden und seine Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Mitnichten.

Von den 86 Milliarden Euro bleibt kaum etwas übrig für Wirtschaftsprogramme: Knapp 54 Mrd. braucht das Land, um Schulden und Zinsen zu zahlen.

Nach dem Verhandlungsdesaster der vergangenen Monate ist es illusorisch zu glauben, auch nur einen Teil dieser Summe am Geldmarkt mittels Staatsanleihen auftreiben zu können. 25 Mrd. Euro gehen an die Banken, die mangels Eigenkapital derzeit keine Kredite mehr vergeben können, mit denen dringend benötigte Investitionen finanziert werden könnten. Und schließlich müssen mit 4,5 Mrd. die Sozialkassen und die Kassen der Gemeinden wieder aufgefüllt werden, aus denen sich der Staat Geld geliehen hat, um die fälligen Kredite zu bedienen.

Es gleicht dem Mythos des Sisyphos: Die Griechen arbeiten gegen den Schuldenberg an, machen dabei aber immer neue Schulden. Der Gipfel scheint unerreichbar. Gewisse Ähnlichkeiten zu einem Schneeballsystem sind da – man finanziert die alten Schulden mithilfe von neuen Schulden.

Anstatt die Wirtschaft z.B. mit Investitionen in Infrastruktur und Ausbildung anzukurbeln, werden zunächst Steuern erhöht und Leistungen gekürzt. Dass Besitzer von Luxusvillen und teuren Autos höher besteuert werden, ist dabei nicht das Problem, aber auch nicht die Lösung – bringt aber auch nicht viel. Wohl aber die Anhebung der Mehrwertsteuer, die die stockende Binnennachfrage noch weiter lähmen wird. Auch die Einschnitte in das Rentensystem sind so nicht sinnvoll zu hinterfragen. Die Hälfte der griechischen Rentner muss mit weniger als 665 Euro auskommen, lebt also unterhalb der von der EU definierten Armutsgrenze. Außerdem gibt es in Griechenland keine Sozialhilfe – und nur ein Jahr lang Arbeitslosengeld.

„Bildungs- und Gesundheitsniveau werden auf das Niveau eines Entwicklungslandes sinken. Wollen wir das wirklich?“

Jeder vierte Grieche ist derzeit ohne Job, bei den jungen Leuten sogar jeder zweite. Die Rente sichert das Überleben vieler Großfamilien. Und: Geringe Einkommen fließen zu hundert Prozent in den Konsum, werden diese noch gekürzt, bricht die Binnennachfrage weiter ein. Es bleibt eine Sisyphos-Aufgabe: Die Wirtschaft wird schwächer, die Schulden lasten immer stärken auf den Schultern der Griechen. Und so schrumpft die Wirtschaft weiter mit der Folge, dass die angehäuften Schulden umso schwerer lasten.

Die Nachfrage im eigenen Land ist aber der Schlüssel zur Wirtschaftserholung. Griechenland ist – anders als Deutschland – keine Exportnation.

Mit knapp 80 Prozent Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung dominiert der Dienstleistungssektor: Tourismus, Schifffahrt, Handel, Banken. Großunternehmen gibt es nur wenige, was ein wichtiger Vorteil ist, denn kleine und mittlere Unternehmen sind zuverlässige, tragende Säulen der Wirtschaft; sie gelten als kreativer und innovativer und stellen mehr Arbeitskräfte ein. Diese mit gezielten Förderprogrammen zu stärken, muss ein Ziel sein, nicht, sie durch zusätzliche Belastungen zu eliminieren. Günstige Darlehen für Investitionen, Ausbildungsprogramme für Facharbeiter, Ausbau der Infrastruktur – aber diese Maß- nahmen bedeuten, Geld auszugeben, nicht einzusparen.

Staatsausgaben sind keineswegs in jedem Fall verschwendetes Geld: 300.000 Beamte hat Griechenland in den vergangenen Jahren entlassen. Davon ganz abgesehen, dass eine hohe Arbeitslosigkeit die Konjunktur weiter dämpft, fehlen nun auch Leute, um die geplanten Änderungen im Steuersystem effizient und schnell umzusetzen.

Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die griechische Wirtschaft 2014 erstmals seit Jahren wieder gewachsen ist, wenn auch nur um 0,75 Prozent. Wohl wahr, aber das ist nicht etwa Ergebnis der jahrelangen Sparpolitik, ganz im Gegenteil: 2014 hatte die griechische Regierung die Sparvorgaben gelockert.

Fazit: Einseitige Sparpolitik wird die Wirtschaftskrise in Griechenland nicht lösen, sondern weiter verschärfen, mit weitreichenden sozialen Folgen. Bildungs- und Gesundheitsniveau eines europäischen Landes werden auf das Niveau eines Entwicklungslandes sinken. Wollen wir das wirklich?

Nikolaos Tavridis

TEAM7
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