31. März 2017
Magazin

Grundsatztreue ohne Gegnerschaft 

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KOMMENTAR

Grundsatztreue ohne Gegnerschaft 

GASTKOLUMNE: KATJA SUDING (FDP): Türken und Deutsche 

Katja Suding (41), ist Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und Vorsitzende der FDP-Fraktion
Katja Suding (41), ist Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und Vorsitzende der FDP-Fraktion
Eine wehrhafte Demokratie muss ihre freiheitlichen Grundsätze hochhalten ohne in die Gegnerschaft gegen „die Türkei“ zu verfallen. Wir brauchen unsere türkischen Freunde.

Nein, wir sind keine Gegner des Islams. Nicht wir Deutschen, nicht wir liberalen Hamburger und schon gar nicht wir Freie Demokraten. Wir sind der festen Überzeugung, dass die mit rund drei Millionen Türkeistämmigen größte muslimische Gruppe in Deutschland längst ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist. Und dennoch fällt solch ein Bekenntnis in diesen Wochen nicht leicht: Die Beleidigungen und Herabsetzungen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan und seiner Mitstreiter gegen Deutschland und andere Länder Europas sind unerträglich. Die Versuche, innertürkische Konflikte per Wahlkampagne ins Herz der EU zu tragen, sind inakzeptabel. In Deutschland mit den Mitteln eines demokratischen Wahlkampfs für die Einführung autokratischer Strukturen in der Türkei zu werben, dürfen wir Erdogan nicht erlauben.

Deshalb müssen wir als wehrhafte Demokratie unsere freiheitlichen Grundsätze hochhalten, ohne in eine Gegnerschaft gegen „die Türkei“ zu verfallen. Ein großer Teil der türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, aber auch viele Türken in ihrem Heimatland unterstützen Erdogan nicht. Wir brauchen nur mit unseren türkischen Freunden an der nächsten Ecke in Ottensen zu sprechen oder auf das laute, aber versprengte Häuflein von gerade 200 Unterstützern des türkischen Außenministers vor der Residenz seines Generalkonsuls an der Außenalster zu schauen, um zu wissen: Erdogan verhält sich gerade deshalb so aggressiv, weil er um die Mehrheit bei der Abstimmung über sein autokratisches Präsidialsystem fürchtet.

Gleichwohl müssen wir als Verteidiger der Freiheit den Gegnern der Freiheit in Ankara und anderswo Grenzen aufzeigen. Wenn Erdogan Demokratie, Parlamentarismus, Gewaltenteilung und freie Meinungsäußerung in seinem Land abschaffen will, dann müssen und dürfen wir ihm dafür in unserem Land keine Bühne bieten. Die Freilassung willkürlich verhafteter Journalisten in der Türkei müssen wir weiter einfordern.

Und wir dürfen den Handlangern des Erdogan-Regimes in Deutschland und Hamburg nicht auf den Leim gehen: Die bei uns offenbar mit Spionageaufträgen agierenden Vertreter des türkischen Religionsverbands DITIB können nicht Kooperationspartner deutscher Institutionen sein. Der Einfluss der türkischen Regierung auf die DITIB muss ein Ende haben, die DITIB muss sich vollständig von der türkischen Religionsbehörde Diyanet lösen. Passiert das nicht, muss Bürgermeister Olaf Scholz den Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden in Hamburg auflösen, an deren Spitze die DITIB steht.

„Gleichwohl müssen wir als Verteidiger der Freiheit den Gegnern der Freiheit Grenzen aufzeigen …!“  
Den geplanten Dialog haben der Bürgermeister und seine rot-grünen Parteifreunde ohnehin nie geführt. Anstatt jetzt auf einem gescheiterten Vertrag mit teilweise untragbaren Partnern zu beharren, wäre es an der Zeit, die zivilgesellschaftliche Opposition in der Türkei und ihre Vertreter in Hamburg zu unterstützen. Dafür braucht es den ehrlichen Dialog unter echten Demokraten. Dafür braucht es das Wissen um die inneren Strukturen der türkischen Gemeinde und der muslimischen Organisationen in Hamburg. Dafür braucht es Grundsatztreue zu den Werten unserer Verfassung und das Rückgrat, mit den Gegnern dieser Werte nicht um des Redens willen zu reden.

Wir tun unseren türkischen Freunden weder hier noch in ihrer Heimat einen Gefallen, wenn wir vor Erdogan zurückweichen. Von Hamburgs Senat und der Bundesregierung braucht es klare und unmissverständliche Worte, denen auch Taten folgen. Eine Abhängigkeit, wie sie etwa durch den Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei entstanden ist, darf sie davon nicht abhalten. Wir dürfen uns nicht erpressbar machen. Die Beitrittsverhandlungen mit der EU müssen gestoppt werden. Ein Land, in dem universell geltende Menschenrechte mit Füßen getreten werden und das über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachdenkt, kann nicht Mitglied der EU werden. Wer in der weltoffenen Metropole Hamburg nicht beginnt, eine klare Haltung in diesen Fragen einzunehmen, der darf sich nicht wundern, wenn Freiheit und Demokratie weltweit zurückgedrängt werden. Katja Suding

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