29. September 2016
Magazin

Gefühle unter der Lupe

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PRAXIS-BESUCH

Gefühle unter der Lupe

Therapie

Dr. Gräfendorf in ihrer Praxis an der Elbchaussee 
Dr. Gräfendorf in ihrer Praxis an der Elbchaussee 
Hypnose galt lange Zeit als Hokuspokus. Mittlerweile ist es eine anerkannte Form der Psychotherapie. Seit dem Sommer praktiziert Dr. Gräfendorf als Hypnosetherapeutin und Ärztin an der Elbchaussee.

Es ist der perfekte Ort, um zur Ruhe zu kommen, zu entspannen. Der Blick auf den wolkenlosen, tiefblauen Himmel und auf den steten Fluss der Elbe. Ab und an schiebt sich ein Frachter langsam am Fenster vorbei.

Dr. Gräfendorf hat diesen Ort bewusst ausgesucht. Zum einen, weil er einen der schönsten Aussichten Hamburgs bietet. Zum anderen, weil sie in dieser Umgebung ohne Publikumsverkehr und Alltagshektik besonders gut auf ihre Patienten eingehen kann. Wer zu Dr. Gräfendorf als Patient kommt, darf im Strandkorb mit Blick auf die Elbe Platz nehmen.

Dr. Gräfendorf ist Hypnosetherapeutin. Sie kennt die Vorurteile gegenüber ihrem Berufszweig nur zu gut. Hypnose – das ist für viele nach wie vor Hokuspokus, fauler Zauber, Trickserei. „Dabei ist die Hypnosetherapie mittlerweile eine Form der Psychotherapie“, erzählt die Ärztin. Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie erkannte Hypnose bereits 2006 bei körperlichen Erkrankungen an, die durch psychische oder soziale Faktoren bedingt sind. Bei Nikotinsucht, Migräne, Schlaflosigkeit oder chronischen Schmerzen beispielsweise. Auch Dr. Gräfendorf arbeitet in diesen Bereichen, darüber hinaus hilft sie bei Gewichtsreduktion und Stressabbau. Aber auch Depressionen, Angst und posttraumatische Belastungsstörungen gehören zu ihrem Tätigkeitsfeld.

Dr. Gräfendorf ist Neu-Hamburgerin. Seit dem Sommer praktiziert sie an der Elbchaussee. „Ich wollte eine Veränderung. Und Hamburg hat mir schon immer sehr gefallen.“ Und so ist die Familie von Kiel nach Hamburg gezogen. Ihr Mann, ein Wirtschaftsinformatiker, pendelt zwischen den Städten. „Auch für unsere Tochter war es durch den Wechsel aufs Gymnasium ein günstiger Zeitpunkt für einen Umzug.“ Dr. Gräfendorf, gebürtig aus Bielefeld, hat schon früh zur Hypnosetherapie gefunden. „Während meines Medizinstudiums in Kiel suchte eine Therapeutin Freiwillige für eine Zahnarztbehandlung unter Hypnose. Ich habe mich gemeldet und war sofort fasziniert davon. Ich fühlte keine Schmerzen – und das ganz ohne jede Spritze.“

Es wird zwischen klinischer und medizinischer Hypnose unterschieden.

Nach Beendigung des Studiums ließ sich Dr. Gräfendorf als Allgemeinärztin in Kiel nieder. „Ich merkte bald, dass ich nur noch Fünf-Minuten-Medizin praktiziere, wie am Fließband. Es blieb nur wenig für Gespräche mit den Patienten.“ Parallel zu ihrer Tätigkeit machte sie am Milton Erickson Institut in Hamburg eine Weiterbildung in Hypnosetherapie. Milton Erickson gilt als prägende Figur der modernen Hypnose. Nach ihm ist Hypnose eine kommunikative Kooperation von Therapeut und Patient, wobei der Therapeut dem Patienten hilft, in eine hypnotische Trance zu kommen und diesen Zustand für eine Veränderungsarbeit zu nutzen.

Es wird zwischen klinischer und medizinischer Hypnose unterschieden. Die klinische Hypnose ist die Hypnose in einer psychosomatischen Praxis. Die medizinische Hypnose wird im somatischen Bereich angewandt, zum Beispiel in Zahnarztpraxen. Letztere darf nur von ausgebildeten Ärzten praktiziert werden.

Als Ärztin und Therapeutin betrachtet Dr. Gräfendorf ihre Patienten ganzheitlich, auf organischer wie psychologischer Ebene. Wer sich in Behandlung bei der 48-Jährigen begibt, führt zunächst ein halbstündiges Vorgespräch. „Der Patient erzählt, was er verändern will. Und ich erzähle, wie die Hypnose funktioniert: Nämlich, dass wir uns die Gefühle unter der Lupe anschauen“, sagt Dr. Gräfendorf. „Wenn wir das Gefühl haben, etwas verändern zu können, vereinbaren wir einen Termin zur Hypnose.

Der Patient darf sich dann auf einer langen weißen Liege aus Leder niederlassen. Was nun eine Stunde lang folgt, ist eine Reise in die eigene Gefühlswelt. Dr. Gräfendorf: „Wir alle gehen in Trance-Zustände, wenn wir zum Beispiel Auto oder Zug fahren. Der Körper ist woanders als der Geist.“ Die Ärztin vergleicht diesen Trance-Zustand mit dem Anschauen eines Films: „Wir sehen einen Film und weinen am Ende. Obwohl wir genau wissen, dass kein Grund dazu besteht. Weil es ja nicht Realität ist. Die Hauptfigur ist nicht gestorben, die Waffe ist nicht echt.“ Und ähnlich verhält es sich in der Hypnose: „Man sieht sich den Film der eigenen Gefühle an. Es ist sehr intensiv, man nimmt Dinge bewusster wahr.“

Zahnarztpraxis Flottbeker Mühle
Um den Zustand der Trance zu erreichen, begleitet Dr. Gräfendorf den Patienten mit einem Gespräch, Pendel oder Musik an einen Ort „angenehmer Entspannung“. Dr. Gräfendorf: „Bei dem einen ist dieser Ort am Wasser, bei dem anderen im Wald oder im eigenen Bett. Dann ist der Patient in seiner Vorstellung dort, wo er sich entspannt und geborgen fühlt.“ Aus dieser Entspannung heraus schauen sich Ärztin und Patient die Probleme an. Will der Patient zum Beispiel abnehmen, soll er sich zunächst sein inneres Idealbild vorstellen. „Essen ist ein komplexes Thema. Die einen essen aus Langeweile, die anderen aus Frust, wiederum andere zum Stressabbau. Es geht nun darum, tätig zu werden.“ Hier setzt die Therapie an: „Durch die Hypnose, das Unbewusste, erreicht man die Gefühlswelt schneller und kann Veränderungsprozesse leichter anschieben. Vom Kopf her wollen wir alle abnehmen, aber vom Gefühl her wollen wir weiter essen.“ Der Patient erarbeitet sich Veränderungen seines Verhaltens im Zustand der Trance. „In der Vorstellung beginnt der Patient, anders einzukaufen, kleinere Portionen auf den Teller zu legen, zwischen den Malzeiten 4-6 Stunden einzuhalten. Es ist leichter, das im Alltag anzuwenden, wenn es in der Vorstellung verankert ist.“

Im Zustand der Trance verliert man nicht – so bisweilen der Irrglaube – das Bewusstsein. „Aber das eigene Unbewusste, die Gefühlswelt ist offener. Man ist weniger vom Verstand gelenkt.“ Und: Hypnose ist keine Manipulation. „Der Patient hat immer die Kontrolle“, sagt Dr. Gräfendorf.

Die Anzahl der Therapiesitzungen variiert von Fall zu Fall. „In der Regel sind drei bis zehn Sitzungen ausreichend“, erklärt Dr. Gräfendorf. Eine einstündige Sitzung kostet 120 Euro. Die privaten Krankenversicherungen übernehmen in der Regel die Kosten.

Demnächst will Dr. Gräfendorf auch Gruppentherapien anbieten. Zum Thema Gewichtsreduktion will Dr. Gräfendorf ein Urlaubsseminar an einem Ort anbieten, der mindestens genauso viel Entspannung bietet wie die Elbvororte: auf Mallorca.

Cristina Prinz

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