1. Juni 2016
Magazin

Vor Schlimmerem bewahrt

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BEMERKENSWERTES 

Vor Schlimmerem bewahrt

Aus dem Amtsgericht  

Juristische Kompetenz beinhaltet weit mehr als Gesetzeskunde, FOTO: ©STAUKE-FOTOLIA.COM
Juristische Kompetenz beinhaltet weit mehr als Gesetzeskunde, FOTO: ©STAUKE-FOTOLIA.COM
Betritt Rechtsanwalt Uwe Maeffert als Verteidiger den Gerichtssaal, ist Nervenstärke geboten. Wo andere seines Metiers mit Routine ihr Pflichtprogramm abspulen, verbeißt sich der deutschlandweit bekannte Jurist energisch auch in den banalsten Fall. Dabei haben seine Methoden Erfolg.

Er schlage Freisprüche heraus, wo andere kapitulieren, und drücke das Strafmaß in Fällen, die aussichtslos scheinen, so die „Zeit“ vor Jahren. Dass er sich erlauben dürfe, „dem Gericht die Anstrengung seiner Gedanken und seines Charakters aufzuzwingen, verdankt er juristischer Kompetenz, der Beherrschung von Akteninhalt und Strafprozessordnung sowie der Wachsamkeit, mit der er habichtartig auf jede Argumentationslücke herniederstößt“.

Im vorliegenden Fall muss er „Staranwalt“ Kay Weinberger* verteidigen, der Ende August vergangenen Jahres an der am Osdorfer Born gelegenen Bushaltestelle Bornheide eine 47-jährige Frau geschlagen hat, die tags darauf im Krankenhaus operiert werden musste. „Ich habe aus Mund und Nase geblutet, war völlig benebelt“, so das Opfer. Sie habe einen Streit zwischen einem Paar schlichten wollen, erklärt die Frau, wie es zu dem Schlag gekommen ist. Dass es zu dieser Attacke kam, bestätigt der Angeklagte im Laufe des dreistündigen Verfahrens. Darin wird schnell klar, dass der 43-jährige Mann nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht. Für das Strafverfahren hat Weinberger eine graue Jogginghose und ein Kapuzenshirt übergezogen. An den Füßen trägt er Turnschuhe, im Gesicht Zerknirschung. Das Reden überlässt er seinem Verteidiger. Bevor der sich dem Fall zuwendet, stellt er zunächst das Fragerecht zur Diskussion. Dem Gesetz ließe sich nicht entnehmen, dass der Staatsanwaltschaft als erste das Fragerecht zustehe. Tatsächlich ist es üblich, Zeugen zunächst von der Anklagevertretung befragen zu lasen. Käme dann noch der Nebenkläger an die Reihe, könne er kaum noch nach Dingen fragen, die noch nicht gefragt worden seien, so Maeffert feinsinnig.

Mehrfach berät das Gericht. Angehörige von Opfer und Angeklagten nutzen die Unterbrechungen zum Diskutieren und Rauchen. Dem Opfer nahestehende Menschen reden auf die Frau ein. Denn gegenüber dem Verteidiger hat sie kein optimales Verhalten gezeigt. Mal kann sie sich nicht erinnern, mal wirkt sie desinteressiert. Der Verteidiger lässt nicht locker. Er könne erwarten, dass er „nachvollziehbare Antworten“ bekomme, so der wie stets kämpferische Maeffert.

Wenn Weinberger, kein Schulabschluss, keine Berufsausbildung, fünf Kinder, Hartz-IV-Bezieher, mit einer Geldstrafe davonkommt, dann muss er sich bei seinem Verteidiger bedanken. Ohne Uwe Maefferts „Anstrengung der Gedanken“, seiner Hartnäckigkeit und Sachkenntnis haben den Angeklagten vor Schlimmerem bewahrt. HS

*Name geändert

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